Stillen mit Diabetes: Was ist zu beachten?

Blutzuckermessung mit Pen
Die Blutzuckerwerte werden zur Diagnostik und Kontrolle von Diabetes bestimmt (© Artem Podrez bei pexels).

Etwa 6% der Schwangeren sind von Zuckerkrankheit betroffen, von Diabetes mellitus Typ 1, Typ 2 oder Gestationsdiabetes. Betroffene Frauen stillen im Durchschnitt seltener und kürzer als gesunde Frauen, dabei profitieren sie und ihre Kinder in besonderem Maße vom Stillen. Je länger sie stillen, umso geringer sind die Risiken ihrer Kinder, später Glukosetoleranzstörungen, Adipositas oder Diabetes zu entwickeln. Gleichzeitig wirkt sich das Stillen positiv auf die Glukosetoleranz der Mütter aus und reduziert ihre Risiken für eine Reihe chronischer Erkrankungen im späteren Leben.
Folgender Beitrag zeigt die Herausforderungen des Stillbeginns und passende Lösungsstrategien auf und fasst zusammen, was beim Management des Diabetes in der Stillzeit zu beachten ist.

Inhaltsübersicht:

Diabetes im gebärfähigen Alter

Präexistenter / prägravider Diabetes

Bei etwa 1% der Schwangeren lag in Deutschland Diabetes Typ 1 oder Typ 2 bereits vor der Schwangerschaft vor.

Diabetes mellitus Typ 1

Diabetes-Management-System am Arm einer Frau
Moderne Diabetes-Management-Systeme ermöglichen eine verbesserte Stoffwechseleinstellung, vor allem bei Diabetes Typ 1 (© Pavel Danilyu bei pexels)

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper kein oder nur sehr wenig Insulin herstellt, weil die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört sind. Er beginnt meist im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenenalter und ist eine lebenslange Erkrankung.

Erkrankte müssen ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren, streng auf ihre Ernährung achten und regelmäßig Insulin spritzen.

Diabetes mellitus Typ 2

Übergewichtige Schwangere
Schwangere mit Diabetes Typ 2 sind oft übergewichtig. Übergewicht ist auch für Gestationsdiabetes ein Risikofaktor, aber auch Schlanke sind betroffen. Auch Frauen mit Adipositas und ihre Kinder profitieren vom Stillen (© Sharan Sathya bei Pexels).

Diabetes Typ 2 ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der die Zellen des Körpers das Insulin immer schlechter aufnehmen und verwerten (Glukoseintoleranz). Er entwickelt sich tendenziell in höherem Lebensalter als Diabetes Typ 1, daher wird er auch Altersdiabetes genannt. Allerdings kann sich auch diese Erkrankung bereits im Kindes- und jungen Erwachsenenalter entwickeln, sodass auch Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sein können. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Übergewicht und zu wenig körperliche Bewegung, Rauchen sowie ballaststoffarme, fett- und zuckerreiche Ernährung. Diabetes mellitus Typ 2 kommt bei Frauen im gebärfähigen Alter oft in Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom vor, bei dem neben der Glukoseintoleranz auch Bluthochdruck, Adipositas, polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) und Fettstoffwechselstörungen vorliegen. Durch Rauchstopp, Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und mehr Bewegung lässt sich die Erkrankung in einigen Fällen in den Griff bekommen. Andere Betroffene müssen Antidiabetika einnehmen und/oder Insulin spritzen.

Gestationsdiabetes mellitus

In Deutschland haben ca. 5 % der Schwangeren Gestationsdiabetes mellitus (GDM), definiert als die Art von Glukosetoleranzstörung, die zum ersten Mal während der Schwangerschaft diagnostiziert wird.

Ältere Schwangere über 30 Jahre sind mehr als doppelt so oft betroffen wie jüngere. Frauen mit Übergewicht haben ein mehr als doppeltes, Frauen mit Adipositas sogar ein fast 7-faches Risiko, einen Gestationsdiabetes zu entwickeln. Meistens, bei 60-90% der betroffenen Frauen, normalisieren sich die Blutzuckerwerte nach der Geburt wieder.

Oft lässt sich ein Gestationsdiabetes durch eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung in Schach halten. Manchmal haben die Schwangeren jedoch so hohe Blutzuckerwerte, dass Insulin und/oder Antidiabetika erforderlich sind.

Etwa die Hälfte der Frauen mit Gestationsdiabetes entwickelt im späteren Leben einen Diabetes mellitus Typ 2 und/oder Herzkreislauferkrankungen.

Mögliche Komplikationen mit Auswirkung auf die Geburt und das Wochenbett

Frauen mit Diabetes haben ein mehrfach erhöhtes Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt. Auch die Kinder diabetischer Mütter haben ein mehrfach erhöhtes Risiko für Geburtsverletzungen, angeborene Fehlbildungen, Frühgeburtlichkeit, Atemnotsyndrom, Gelbsucht und eine Reihe weiterer Komplikationen. Neugeborene diabetischer Mütter haben öfter ein erhöhtes Geburtsgewicht (Large for Gestational Age, LGA), was die Geburt erschwert. Wenn während der Schwangerschaft ein sehr hohes Geburtsgewicht vermutet wird, wird die Geburt oft vor dem errechneten Geburtstermin eingeleitet.

Die mit Abstand häufigste Komplikation bei Neugeborenen diabetischer Mütter ist die Hypoglykämie, also Unterzuckerung, nach der Geburt. Diese tritt ca. 200- bis 400-mal häufiger auf als bei Kindern nicht-diabetischer Mütter.

Die Risiken bei prägravidem, also bereits vor der Schwangerschaft vorhandenem Diabetes liegen im Allgemeinen höher als bei einem Gestationsdiabetes.

=> Für alle Diabetesformen gilt, dass sich die Risiken durch eine optimale Stoffwechseleinstellung und die Therapie der Begleiterkrankungen während der Schwangerschaft deutlich senken lassen.

Auch viele Betroffene mit Typ I Diabetes dürfen heutzutage eine normale Geburt und ein normales Wochenbett erleben. Moderne Geräte für eine kontinuierliche Glukosemessung und Insulinpumpen haben die Stoffwechseleinstellung deutlich verbessert, sodass sich die Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt deutlich verringert haben.
Die Glukosemessung muss auch während der Geburt und im Frühwochenbett Tag und Nacht engmaschig fortgesetzt werden, da die Blutzuckerwerte in dieser Zeit starke Schwankungen aufweisen können und weil Babys auch nachts an der Brust trinken möchten und versorgt werden müssen. Das Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen ist erhöht, wenn der normale Glukosespiegel nicht erreicht ist. Eine gute Einstellung wirkt sich auch auf den Stillbeginn positiv aus.

Wenn keine Komplikationen auftreten, können die Frauen mit Diabetes eine normale Geburt und ein normales Wochenbett erleben. Auf der anderen Seite ist bei Komplikationen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Stillbeginn durch verschiedene Faktoren bei der Geburt und im Wochenbett erschwert wird:

  • Diabetische Frauen haben öfter einen Kaiserschnitt (s. Stillen nach Kaiserschnitt)
  • Mutter und Kind werden nach der Geburt öfter voneinander getrennt (s. Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt und im Wochenbett), um das Neugeborene zu beobachten und ggf. auf der Neonatologie zu versorgen (Bei Verlegungen auf die Neonatologie s. die Artikelreihe bei Frühgeborenen).
  • Spontanes Stillen, Bonding und Haut-an-Haut-Kontakt sind seltener möglich (s. Bedeutung des Hautkontakts).
  • Das Neugeborene kann mit höherer Wahrscheinlichkeit vorübergehend oder längerfristig saugschwach oder saugunfähig sein.
  • Neugeborene erhalten öfter industrielle Säuglingsnahrung oder Zuckerlösungen und werden öfter mit der Flasche gefüttert (s. den Abschnitt zur Saugverwirrung).
  • Die Milchbildung der diabetischen Mutter kann sich verzögern und geringer ausfallen (s. nächsten Abschnitt).

Stillen mit Diabetes

Das volle Milchbildungspotenzial ist oft vorhanden

Viele Mütter mit Diabetes haben die Fähigkeit, ihre Babys ausschließlich zu stillen. Eine mögliche Ausnahme stellen Frauen mit Diabetes Typ 2 dar, bei denen eine Insulinresistenz schon länger besteht. Bei diesen Frauen kann die Entwicklung der Brustdrüsen beeinträchtigt sein, sodass sie möglicherweise auch langfristig nur Teilstillen erreichen können (s. Teilstillen – Wenn Muttermilch nicht ausreicht). Vor allem die Pubertät ist eine sensible Phase für die Entwicklung der Brust. Teilstillen ist zwar aufwendiger und komplexer als Vollstillen, aber umsetzbar. Auch Teilstillen fördert die Gesundheit von Mutter und Kind und die Mutter-Kind-Bindung.

Leider lässt es sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, wie viel Milch eine Frau bilden wird und ob und wenn ja, wann sie ausschließliches Stillen erreichen kann. Mithilfe eines guten Stillmanagements lassen sich die Milchbildung jedoch optimieren und gute Grundlagen für das Stillen legen.

Der Start der reichlichen Milchbildung (Laktogenese II) kann verzögert sein, die Milchmenge kann geringer ausfallen

Grafik mit pünktlicher und verzögerter Muttermilchbildung
Bei diabetischen Müttern setzt die Bildung reifer Muttermilch oft verspätet ein und erreicht (zunächst) geringere Werte (Modifiziert nach Yu et al., 2019; © still-lexikon.de)

Diabetische Frauen haben öfter eine verzögerte Laktogenese II, d.h. die Bildung reifer Muttermilch mit zunehmenden Muttermilchmengen beginnt etwas später und die Milchmenge fällt zunächst auch geringer aus (s. auch den ausführlichen Artikel zum verspäteten Milcheinschuss). Die Milchbildung kann den Bedarf des Babys später oft noch erreichen. Wie lange dies dauert, ist unterschiedlich und hängt von gesundheitlichen Faktoren und vom Stillmanagement ab, s. weiter unten.

Bei Frauen mit Diabetes Typ 1 ist die Laktogenese II durchschnittlich um 1 Tag verzögert. Bis der Milchbedarf des Babys voll mit Muttermilch gedeckt wird, kann deutlich länger dauern. Unter den Frauen mit Gestationsdiabetes entwickeln etwa ⅓ eine verzögerte Laktogenese II. Verstärkt sind Frauen betroffen, die insulinpflichtig sind und / oder Adipositas aufweisen. Bei ⅔ startet die Milchbildung jedoch pünktlich und kann unter guten geburtshilflichen Rahmenbedingungen und in Abwesenheit weiterer Risikofaktoren die vom Säugling benötigten Milchmengen erreichen.

Kolostrum, Übergangsmilch, reife Muttermilch
Das Kolostrum, in der Schwangerschaft gebildet, steht gleich nach der Geburt zur Verfügung und ist von kleiner Menge. Mit der Laktogenese II beginnt die Bildung reifer Muttermilch von größeren Mengen (© still-lexikon.de).

Auch bei Müttern mit Diabetes Typ 2 beginnt die reichliche Milchbildung verzögert. Genaue Zahlen für die Häufigkeit und das Ausmaß der verzögerten Laktogenese II liegen nicht vor. Diabetes Typ 2 ist in diesem Alter oft Teil eines komplexeren metabolischen Syndroms, bei dem oft auch Insulinpflichtigkeit, Adipositas und erhöhter Blutdruck vorliegen, sodass mehrere Faktoren in der Hemmung der Milchbildung zusammenspielen, sodass Teilstillen das Zeil sein kann, vorübergehend oder längerfristig.

Eine besondere Herausforderung stellt es für die Milchbildung und den Stillbeginn dar, wenn die Frauen in der Schwangerschaft auch eine Präeklampsie und weitere hypertensive Erkrankungen entwickeln (s. Stillen mit Schwangerschaftsbluthochdruck, Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom).

Stillmanagement zur Optimierung der Milchbildung

Mutter im Krankenhaus glücklich über das angedockte Baby
Idealerweise findet das erste Stillen innerhalb von 30 Minuten nach der Geburt statt (© privat).

Der Beginn der reifen Milchbildung (Laktogenese II) und die Milchmenge, die schließlich erreicht wird, lassen sich durch das Stillmanagement beeinflussen. Je später, seltener und ineffektiver die Brust entleert wird, umso mehr verzögert sich die Bildung der reifen Muttermilch und umso weniger Milch wird gebildet, und umgekehrt. Daher sollte die erste Milchgewinnung oder das erste effektive Stillen innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt stattfinden. Anschließend sollten beide Brüste 8- bis 12-Mal in 24 Stunden effektiv entleert werden – durch Stillen, manuelle Milchgewinnung und/oder Pumpen.

präpartale Kolostrumgewinnung: schwangere Frau gewinnt Kolostrum auf einen Löffel
Die manuelle Kolostrumgewinnung am ersten Tag nach der Geburt verbessert die Milchbildung langfristig. (© Kindestmilk)

Mütter mit erhöhtem Risiko für verzögerte Laktogenese II profitieren davon, wenn sie ihre Brüste neben dem häufigen Stillen zusätzlich entleeren, in der Regel nach dem Stillen. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie die volle Milchbildung erreichen werden. Die Lücke zwischen der Milchproduktion und dem Bedarf des Babys wird so minimiert. Am ersten Tag nach der Geburt hat sich hierbei die manuelle Milchgewinnung als besonders effektiv erwiesen, sie ist in dieser Phase effektiver als Pumpen. Eine 5-malige manuelle Milchgewinnung am ersten Tag, beginnend innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt und dann zweimal im Stundentakt, hat sich als Maßnahme etabliert. Je nachdem, ob und wie effektiv das Neugeborene an der Brust trinken kann, wird empfohlen, die Brust zusätzlich oder anstelle des Stillens auch mit einer Doppelpumpe zu entleeren, damit beide Brüste insgesamt 8- bis 12-mal in 24 Stunden effektiv entleert werden.
Es ist sinnvoll, die manuelle Kolostrumgewinnung und die Bedienung der Pumpe bereits vor der Geburt kennenzulernen und auch dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Utensilien / Milchpumpen ab dem 1. Tag uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Diese Aspekte können mit dem Krankenhauspersonal bereits vor der Geburt besprochen werden, z.B. im Rahmen des Vorgesprächs. Manche Geburtskliniken sind diesbezüglich gut ausgestattet und unterstützen die Mütter engagiert, andere Kliniken haben keine Ressourcen für die Unterstützung der Mütter bei der Milchgewinnung und können Milchpumpen nur eingeschränkt zur Verfügung stellen. Manche Eltern nehmen aus der Apotheke gemietete Doppelmilchpumpen in die Klinik mit.

Zufütterung an der Brust mit Spritze und einem dünnen Schlauch
Ist Zufütterung erforderlich, sollte dies mit alternativen Methoden, idealerweise an der Brust erfolgen. (© Rebdesign, Still-Lexikon.de)

Bis die Milchbildung der Mutter ausreicht, um den Bedarf des Babys zu decken, muss es zugefüttert werden. In der Regel wird hierfür industrielle Prenahrung verwendet, da gespendete Frauenmilch nur an wenigen Kliniken zur Verfügung steht und vorzugsweise kleinen Frühgeborenen vorbehalten ist. Bei der Fütterung empfehlen sich alternative Techniken anstelle der Flasche, um das Risiko einer Saugverwirrung zu minimieren, wie z.B. Löffel, Spritze (ohne oder mit einer Ernährungssonde) oder Becher. Ideal ist eine Zufütterung an der Brust, um das Stillen am besten zu schützen (Übersicht in Muttermilch oder Säuglingsmilch stillfreundlich zufüttern).

Grafik mit verschiedenen Gewichstverläufen
Falls nötig, so zufüttern, dass das Baby nicht mehr als 10% seines Geburtsgewichts verliert und spätestens nach Tag 4 perzentilenparallel zunimmt.

Die Menge der Zufütterung lässt sich anhand des Gewichtsverlaufs und der Farbe und Menge der Ausscheidungen justieren: Es sollte so wenig wie möglich zugefüttert werden, um die Milchbildung der Mutter nicht zu beeinträchtigen, aber gleichzeitig so viel wie nötig, damit das Kind idealerweise nicht mehr als 7% und maximal nicht mehr als 10% seines Geburtsgewichts verliert und ab dem 3./4. Tag kontinuierlich perzentilenparallel zunimmt.

Umgang mit Hypoglykämie / Unterzuckerung des Neugeborenen

Blutabnahme aus der Ferse des Neugeborenen
Blutabnahme aus der Ferse des Neugeborenen (Wikimedia Commons, Oude Pekela)

Die Unterzuckerung des Neugeborenen – also ein Abfall der Blutglukosekonzentration unter den kritischen Wert –, ist die mit Abstand häufigste Komplikation bei mütterlichem Diabetes. Da bei schweren symptomatischen Hypoglykämien permanente neurologische Schäden auftreten können, werden Neugeborene diabetischer Mütter auf eine mögliche Unterzuckerung engmaschig überwacht. Außerdem erhalten sie Nahrung (idealerweise Kolostrum der Mutter, alternativ industrielle Säuglingsnahrung oder Glukose-Gel) innerhalb von 30 Minuten nach der Geburt prophylaktisch sowie wenn niedrige Blutzuckerwerte vor den Mahlzeiten oder Symptome einer Unterzuckerung auftreten. Eine Blutzuckerkontrolle erfolgt meist 2–3 Stunden nach der Geburt vor der nächsten Mahlzeit bzw. spätestens bei der Verlegung von Mutter und Kind aus dem Kreißsaal auf die Wochenbettstation. Anschließend wird das Kind auf Symptome einer Unterzuckerung beobachtet. Bei Bedarf werden die Blutzuckerwerte mehrfach kontrolliert.

Symptome einer Unterzuckerung sind u.a. :

  • Zittrigkeit
  • Irritabilität
  • Atemaussetzer (Apnoe)
  • schwaches oder schrilles Schreien
  • Lethargie
  • Trinkschwäche
  • Krampfanfälle.

Diese Symptome werden mit Stillen, Fütterung oder Glukose-Gel behandelt und verschwinden dann rasch.

Neugeborenes in Hautkontakt mit der Mutter.
Nach der Geburt wird das Neugeborene in Haut-Kontakt mit der Mutter gebracht. Dies ist meist auch nach einem Kaiserschnitt möglich. Das erste Stillen oder die erste Fütterung findet innerhalb von 30 Minuten statt (© Kati Finell).

Das erste Stillen oder die erste Frühfütterung des Neugeborenen findet bei diabetischen Müttern innerhalb von 30 Minuten nach der Entbindung, noch im Kreißsaal oder OP, statt, früher als bei gesunden Müttern, wo 1–1,5 Stunden abgewartet werden können. Auch nach einem Kaiserschnitt kann das Baby mit der Mutter in Haut-an-Haut-Kontakt gebracht und gestillt werden, auch wenn dies noch nicht in jeder Klinik praktiziert wird. Manche Neugeborene trinken effektiv innerhalb der ersten 30 Minuten an der Brust, andere Neugeborene sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Stillen bereit. Dann werden sie mittels Löffel oder Spritze idealerweise mit handgewonnenem Kolostrum, alternativ mit industrieller Säuglingsnahrung oder Glukose-Gel gefüttert.

Anschließend wird das Baby häufig und nach Bedarf gestillt, etwa 8- bis 12-mal in 24 Stunden, die Stillabstände vom Beginn einer Stillmahlzeit bis zum Beginn der nächsten Stillmahlzeit liegen innerhalb von 1,5 bis max. 3 Stunden oder sie sind kürzer. Es gibt keine Mindeststillabstände, das Kind darf immer angelegt werden. Dieses Stillmanagement gilt auch für gesunde Mutter-Kind-Paare, hilft aber im Falle eines mütterlichen Diabetes einer Unterzuckerung beim Neugeborenen vorzubeugen.

Nach der anfänglichen Wachphase nach der Geburt von ca. 2 Stunden haben einige Säuglinge eine Schlaf-/Ruhezeit von 6 bis 8 Stunden mit sehr kurzen Perioden des Halbwachzustands. Säuglinge mit Hypoglykämierisiko sollten auch während dieser 6–8 Stunden die Möglichkeit zum Stillen erhalten.

Stillen rund um die Uhr
Häufiges Stillen rund um die Uhr schützt das Neugeborene auch vor Hypoglykämien – und fördert die Milchbildung. Falls nicht möglich, muss das Neugeborene alle 2-3 Stunden gefüttert werden (© Still-Lexikon.de)

Falls Stillen nicht möglich ist oder nicht klappt, wird das Baby alle 2–3 Stunden gefüttert. Am ersten Tag nach der Geburt werden pro Mahlzeit 2–10 ml, am 2. Tag 5–15 ml Nahrung gegeben. Gewonnenes Kolostrum ist die beste Nahrung, wenn Stillen nicht möglich ist. Die Menge des Kolostrums kann dabei unterhalb der vorgeschlagenen Mengen für industrielle Nahrungen liegen, es stabilisiert den Blutzuckerwert dennoch effektiver.

Gelegentlich erhalten Neugeborene Glukose intravenös, wenn die Blutzuckerwerte trotz Stillen / Fütterung zu niedrig sind. Auch in diesem Fall können Mutter und Kind zusammenbleiben. Denn die intravenöse Glukose-Gabe kann auch auf der Wochenbettstation erfolgen. Sollte das Kind auf die Neonatologie verlegt werden, kann die Mutter oft mit verlegt werden.

Mutter und Neugeborenes in direktem Hautkontakt
Großflächiger, ungestörter Haut-an-Haut-Kontakt ist auch ein Schutz vor Hypoglykämien und schafft die Voraussetzungen für gelingendes Stillen (© Tyler Olson)

Ausgiebiger, ungestörter Haut-an-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Neugeborenem ab Geburt und im Wochenbett stabilisiert die Körpertemperatur des Neugeborenen, reduziert den Stress, das Schreien und seinen Energiebedarf. Auch das schützt vor Unterzuckerung und fördert das häufige und effektive Stillen.

Kolostrumgewinnung vor der Geburt (präpartal)

Das Kolostrum wird vor der Geburt in Spritzen gesammelt, eingefroren und wenn die Geburt schon weit vorangeschritten ist, zur Klinik gebracht (© Still-Lexikon.de).

Diabetische Mütter können bereits vor der Geburt, in der Regel ab der 37. Schwangerschaftswoche, Kolostrum für ihre Babys gewinnen, tiefgekühlt bis zur Geburt lagern und in die Klinik mitbringen. So erlernen sie die Technik der Kolostrum- bzw. Milchgewinnung und können diese im Rahmen einer Einleitung oder der Vorbereitung auf einen Kaiserschnitt direkt vor, während und auch direkt nach der Geburt praktizieren. Falls ihr Neugeborenes innerhalb der ersten 30 Minuten noch nicht bereit ist, an der Brust zu trinken, oder in die Neonatologie verlegt werden muss, können sie ihr Kolostrum gewinnen und ihr Baby damit z.B. mittels Löffel oder Spritze füttern. Sollte die manuelle Kolostrumgewinnung direkt nach der Geburt nicht möglich sein, kann auf das eingefrorene Kolostrum zurückgegriffen werden.

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Kolostrumgewinnung mit Spritze

Die Technik der manuellen Milchgewinnung ist sehr hilfreich, die Milchbildung zusätzlich zum Stillen anzuregen und das Neugeborene mit dem gewonnenen Kolostrum zu versorgen, falls es zu schwach sein sollte, an der Brust effektiv zu trinken, oder es in die Kinderklinik verlegt werden muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Neugeborene innerhalb der ersten 24 Stunden industrielle Säuglingsnahrung oder Glukose-Gel erhält, wird mithilfe der Kolostrumgewinnung vor und nach der Geburt reduziert.

Die Menge an Kolostrum, die die Frauen vor der Geburt gewinnen, fällt unterschiedlich aus. Erstgebärende gewinnen tendenziell weniger, vielleicht nur einzelne Tropfen oder gar nichts, Mehrgebärende tendenziell größere Mengen. Auch einzelne Tropfen sind von hohem Wert.

Es lässt sich nicht voraussagen, ob das Neugeborene das gewonnene Kolostrum brauchen wird oder nicht bzw. wie viel davon oder ob es reichen wird. Aufgrund einer eventuell verzögerten Laktogenese II müssen manche Babys trotz Kolostrumgewinnung mit industrieller Nahrung zugefüttert werden. Dennoch bleibt das Kolostrum die erste Milch, die das Verdauungssystem des Kindes benetzt und auf diese Weise schützt. Kolostrum als erste Nahrung schützt außerdem besser vor Hypoglykämien als industrielle Säuglingsnahrung oder Glukose-Gel. Bei manchen Babys kann mithilfe des mütterlichen Kolostrums auf industrielle Säuglingsnahrung ganz verzichtet werden, was eine schützende Wirkung vor der Entwicklung einer Kuhmilchproteinallergie hat.

Stillverträglichkeit der Medikamente bei mütterlichem Diabetes

Es stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche Medikamente in der Stillzeit bei mütterlichem Diabetes eingesetzt werden dürfen. Laut Embryotox sind Insulin und Metformin kompatibel mit dem Stillen, weitere Antidiabetika sollen in der Stillzeit jedoch nicht genommen werden. Glibenclamid ist laut Embryotox akzeptabel, wenn unter (anfänglich) guter Beobachtung des Säuglings gestillt wird.

Einfluss des Stillens auf den Diabetes

Positive Einflüsse

Junge Mutter mit Baby
Auch Frauen mit Übergewicht und metabolischem Syndrom können durch Stillen ihren eigenen Stoffwechsel positiv beeinflussen und das Risiko ihrer Kinder für Übergewicht senken (© Sarah Chai, pexels)

Das Stillen verbessert bei Frauen mit Gestationsdiabetes den Zucker- und Fettstoffwechsel sowie die Insulinsensitivität im Wochenbett. Durch die Milchbildung kommt es zu einer Entlastung der Insulin-produzierenden Beta-Zellen der Schilddrüse. Auf der anderen Seite wirkt sich Prolaktin, das Milchbildungshormon, auch auf die Vermehrung der Beta-Zellen aus, sodass stillende Mütter über mehr Beta-Zellen verfügen.

Je länger das Stillen fortgesetzt wird, umso ausgeprägter fällt außerdem dessen Schutz vor der Entwicklung von Diabetes Typ 2 und dem metabolischen Syndrom im späteren Leben aus. Unter den Frauen mit Gestationsdiabetes, die mindestens 3 Monate lang ausschließlich gestillt haben, hat sich die Entwicklung von Diabetes Typ 2 im Vergleich zu Frauen, die gar nicht oder kürzer gestillt haben, um durchschnittlich 10 Jahre verzögert. Der schützende Effekt des Stillens ist mindestens 15 Jahre nach der Geburt nachweisbar, wenn mindestens 3 Monate lang gestillt wurde.

stillende Mutter
Stillen ist für alle Mamas und Babys von großer Bedeutung – im Falle eines Diabetes gilt dies ganz besonders (© Comoyuli, Pexels).

Auch bei diabetischen Müttern wird empfohlen, 6 Monate lang ausschließlich und anschließend neben adäquater Beikost möglichst lange weiterzustillen, um den schützenden Effekt des Stillens auf die Gesundheit von Mutter und Kind auszuschöpfen.

Bei manchen Müttern mit Diabetes Typ 2 findet eine Remission von Diabetes in der Stillzeit statt.

Gestillte Kinder von diabetischen Müttern haben ein geringeres Risiko, später im Leben Übergewicht oder Adipositas zu entwickeln. Vor allem eine längere Stillzeit scheint hier wirksam zu sein (s. auch Warum Stillen so wichtig ist).

Management des Diabetes in der Stillzeit

Frauen mit Diabetes Typ 1 haben ein erhöhtes Risiko für Brustentzündungen (Mastitis) und Soor der Brustwarzen, wenn ihre Blutzuckerwerte nicht gut kontrolliert sind. Die Blutzuckerwerte steigen bei Infektionen rapide an. Um das Risiko für Soor zu senken, kann nach dem Stillen Luft und Licht an die Brustwarzen gelassen werden.

Stillen hat einen Einfluss auf die benötigte Energie- und Nährstoffmenge sowie die Insulindosierung. Der zusätzliche Kalorienbedarf in der Phase des ausschließlichen Stillens beträgt 300-500 Kcal am Tag. Zu beachten ist, dass Babys auch nachts regelmäßig gestillt werden wollen und die Mutter mit Diabetes ggf. auch nachts Nahrung aufnehmen muss.
Bei stillenden Müttern mit Diabetes Typ 1 sind die Blutglukosewerte und der tägliche Insulinbedarf deutlich niedriger als bei nicht-stillenden Müttern mit Diabetes Typ 1, obwohl der Kalorienbedarf bei stillenden Müttern höher liegt.

Nach der Einführung von Beikost und beim Abstillen müssen die Ernährung und die Insulin-Gaben angepasst werden. Langsames, allmähliches Abstillen vereinfacht die Anpassung. Dabei sind Schwankungen in der vom Baby getrunkenen Milchmenge zu erwarten, sodass engmaschige Anpassungen erforderlich sein können. Ältere Babys und Kleinkinder können außerdem Tage haben, an denen sie viel essen und an der Brust kaum interessiert sind, und Tage, an denen sie wieder ausschließlich gestillt werden wollen. Auch bei Erkrankungen wechseln bereits gut essende Kleinkinder plötzlich zum Vollstillen, um im Laufe der Heilung auf einmal wieder zum festen Essen zurückzukehren. Dies muss bei der Insulin-Dosierung und der Ernährung der Mutter beachtet werden.

Da Frauen mit Diabetes Typ 1 eine stärkere Neigung zu Brustentzündungen haben, können sie darauf achten, dass ihre Brüste in solchen Situationen nicht zu voll werden und diese ggf. manuell oder per Pumpe etwas entleeren, bis die Milchbildung sich sanft reduziert hat.

Quellen:

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  • AWMF-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge, Level S3, 2018 https://register.awmf.org/assets/guidelines/057-008l_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2019-06-abgelaufen.pdf
  • AWMF-Leitlinie Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter. Entwicklungsstufe 2k. 2017 https://register.awmf.org/assets/guidelines/024-006l_S2k_Betreuung_von_Neugeborenen_diabetischer_Muetter_2017-10-abgelaufen.pdf
  • Embryotox: https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/insulin-glargin;
    https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/metformin; https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/glibenclamid;
  • Forster DA, Moorhead AM, Jacobs SE, Davis PG, Walker SP, McEgan KM, Opie GF, Donath SM, Gold L, McNamara C, Aylward A, East C, Ford R, Amir LH. Advising women with diabetes in pregnancy to express breastmilk in late pregnancy (Diabetes and Antenatal Milk Expressing [DAME]): a multicentre, unblinded, randomised controlled trial. Lancet. 2017 Jun 3;389(10085):2204-2213.
  • Gesundheitsinformation.de: Diabetes Typ 1, Typ 2, Schwangerschaftsdiabetes
  • Hummel S, Much D, Ziegler A-G: Stillen bei Frauen mit Gestationsdiabetes – ein Beitrag zur mütterlichen Gesundheitsförderung. Laktation & Stillen 2017;4:4-7.
  • Moorhead A, Amir DA, Forster A: Präpartale Muttermilchgewinnung mit Diabetes in der Schwangerschaft. Laktation & Stillen 2019;1:15-16.
  • Morton J, Hall JY, Wong RJ, Thairu L, Benitz WE, Rhine WD. Combining hand techniques with electric pumping increases milk production in mothers of preterm infants. J Perinatol. 2009 Nov;29(11):757-64.
  • Schaefer C, Spielmann H, Vetter K: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit. 7. Auflage, 2006, S. 689-690.
  • Wambach K: Breastfeeding and Human Lactation, 7. Auflage, 2025, Chapter 17, Womens Health and Lactation / Chronic Illnesses / Alterations in Endocrine and Metabolic Functioning, Kindle Edition, 57%, Position 25783.
  • Wight NE; Academy of Breastfeeding Medicine. ABM Clinical Protocol #1: Guidelines for Glucose Monitoring and Treatment of Hypoglycemia in Term and Late Preterm Neonates, Revised 2021. Breastfeed Med. 2021 May;16(5):353-365.
  • Zittera I: Stillen bei Gestationsdiabetes in der klinischen Praxis. Laktation & Stillen 2017;4:8-12.

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