Erstes Stillen nach der Geburt

Baby auf dem Bauch der Mutter direkt nach der Geburt
Bonding im Kreißsaal (© Natalia Deriabina)

Das erste Stillen nach der Geburt sollte möglichst ungestört und innerhalb der ersten Stunde stattfinden: Das sind ideale Bedingungen für einen gelungenen Stillstart. Die Milchbildung kommt durch das frühe erste Stillen schneller in Gang und auch das Stillverhalten des Babys wird auf diese Weise optimal gefördert.

In den vergangenen Jahrzehnten war es üblich, das Neugeborene direkt nach der Geburt von der Mutter wegzunehmen, um es zu untersuchen, baden, anzuziehen und ins Kinderbett zu legen. Auch heute gibt es noch einige Geburtseinrichtungen, in denen diese veralteten Routinen praktiziert werden, welche das Stillen beeinträchtigen. Heute ist allgemein bekannt, dass Haut-zu-Haut-Kontakt direkt nach der Geburt hilft, die Körperfunktionen des Neugeborenen außerhalb des Mutterleibs zu stabilisieren. Dieser direkte Hautkontakt löst außerdem hormonelle Veränderungen in der Mutter aus, die die Milchbildung sowie die Mutter-Kind-Bindung fördern und somit den Grundstein für einen erfolgreichen Stillstart legen. Neugeborene, die mit der Mutter in Hautkontakt bleiben, weinen im Gegensatz zu Babys, die in ein separates Bettchen gelegt werden, außerdem kaum. In Hautkontakt mit der Mutter kann das Baby seine angeborenen Instinkte zum Suchen, Finden und Erfassen der Brust optimal ausüben.

Mutter stillt ihr Baby Haut an Hautin zurückgelehnten Position
Nackte Haut und direkter Körperkontakt fördern das Stillverhalten. In einer zurückgelehnten Stillposition kann das Baby eigenständig die Brust finden und andocken. (© Kati Molin)

Heute wird das Neugeborene nach einer natürlichen Geburt in vielen Krankenhäusern direkt auf den Bauch der Mutter gelegt, dort sanft abgetrocknet und mit Tüchern zugedeckt, um es vor Wärmeverlust zu schützen. Idealerweise haben Mutter und Kind 1-2 Stunden ungestörte Zeit, um sich in Ruhe kennenzulernen. Das Neugeborene ruht sich nach der Geburt zunächst etwa eine halbe Stunde lang aus und ist anschließend ganz aufmerksam. Unter idealen Bedingungen bewegt es sich selbstständig zur Brust, nimmt die Brustwarze nach etwa 30 bis 80 Minuten (durchschnittlich 50 Minuten) in den Mund und fängt an zu saugen. Das nennt man im englischsprachigen Raum „breastcrawl“. Auf Youtube werden verschiedene Aufnahmen über das so genannte „breastcrawl“ gezeigt.

Medizinische Interventionen unter der Geburt (Medikamente, Infusionen, Kaiserschnitt, usw.) und eine Separation des Babys von der Mutter (z.B. um das Baby abzutrocknen, zu wiegen und zu messen) erschweren jedoch diese natürlichen Abläufe (siehe auch Warum das Stillen häufig nicht klappt). Außerdem sind im modernen Klinikalltag ungestörte Ruhe und ausreichend Zeit selten vorhanden, um dem Neugeborenen die eigenständige Suche nach der Brust zu ermöglichen. Idealerweise kann die Mutter eine Geburtseinrichtung wählen, in der direkter, ungestörter Hautkontakt und erstes Stillen nach der Geburt mindestens eine Stunde lang praktiziert wird, bzw., bis das erste Stillen stattgefunden hat (wie in Babyfreundlichen Kliniken). Falls das Personal der Mutter das Baby wegnehmen will, dann kann sie oder ihr Begleiter die Hebamme oder die Ärztin bitten, das Baby bei der Mutter zu lassen, um sich in Ruhe kennenlernen und das erste Mal stillen zu dürfen. Auch während der medizinischen Untersuchung oder beim Nähen des Dammschnitts kann das Baby auf dem Bauch der Mutter liegen bleiben. Wiegen, Messen und Medikamentengabe können später durchgeführt werden. Etwa zwei Stunden nach der Geburt fallen die meisten Kinder in einen tiefen Schlaf und schlafen manchmal bis zu 4 bis 6 Stunden, bevor sie ganz häufig gestillt werden möchten.

Neugeborenes an der Brust der Mutter
Erster, zaghafter Stillversuch nach einer schwierigeren Geburt – auch die bloße Berührung der Brustwarze ist schon hilfreich (© Wong Yu Liang)

Wenn der natürliche Suchreflex der Kinder durch medizinische Interventionen gestört wurde, kann die Mutter ihrem Baby helfen die Brust zu finden. Am besten wird hierzu gewartet, bis das Baby nach der ersten Verschnaufpause nach der Geburt wieder wach und aktiv ist und mit dem Kopf „nickende“ Suchbewegungen ausführt. Mit Unterstützung der Hebamme oder Angehöriger kann die Mutter eine angenehme Position finden und das Baby an die Brust nehmen. Wenn das Baby den Mund weit öffnet, kann die Mutter ihm helfen, an der Brust anzudocken (siehe auch: Das korrekte Anlegen). Selbst wenn effektives Stillen nicht möglich sein sollte, hilft die Berührung der Brustwarze durch die Lippen des Babys die Milchbildung zu unterstützen.

Baby liegt Haut an Haut auf dem Bauch der Mutter, sie beide haben zusammen ein rotes Tuch an.
In einem gemeinsamen Bonding-Tuch können Mutter und Baby den ganzen Tag in Hautkontakt bleiben (© Hoppediz)

Wenn das erste Stillen nach der Geburt innerhalb der ersten 1–2 Stunden nicht möglich ist, dann sollte Kolostrum manuell gewonnen und dem Baby per Spritze oder Löffel verabreicht werden, um die Milchbildung der Mutter in Gang zu setzen und das Baby gut zu versorgen.

Das erste Stillen sollte nachgeholt werden, sobald die Mutter und das Baby dazu in der Lage sind – auch wenn sie dazu geweckt werden müssen. Optimalerweise können Mutter und Baby den ganzen Tag – auch beim Schlafen und Ausruhen – in direktem Hautkontakt verbringen, unterstützt durch Decken und Tragetücher. Dies wirkt sich sehr positiv auf das Stillen aus.

Anschließend sollte alle 2-3 Stunden gestillt werden, auch nachts sollte möglichst keine Stillpause über 4 Stunden eingelegt werden. Frühes und häufiges Stillen / Entleeren der Brust in den ersten Tagen nach der Geburt sind die beste Voraussetzung dafür, dass die Milchbildung gut in Gang kommt. Ansonsten erhöht sich das Risiko, dass das Baby mit Säuglingsmilch zugefüttert werden muss.

Das so genannte „Breastcrawl“ kann nicht nur direkt nach der Geburt stattfinden. Auch anschließend kann das Baby die Gelegenheit bekommen, die Brustwarze eigenständig zu finden. Dazu nimmt die Mutter eine zurückgelehnte Position ein. Sowohl die Mutter als auch das Baby sollten möglichst nackt sein, um den direkten Hautkontakt zu ermöglichen (das Baby kann die Windel anbehalten). Die eigenständige Suche und das eigenständige Andocken an der Brust unterstützen das effektive Stillen und mindern die Gefahr von falschem Anlegen und wunden Brustwarzen (siehe auch das Laid-Back-Nursing).

Quellenangaben für diesen Beitrag
  • Guóth-Gumberger M, Hormann E: Einfühlsame Begleitung durch alle Phasen der Stillzeit. GU, 2014
  • Lawrence RA, Lawrence RM: Breastfeeding. A guide für the medical profession. Elsevier Mosby, 2005, 6. Aufl.

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