Schmerzen beim Stillen

Schmerzen beim Stillen
Stillen kann manchmal mit Schmerzen verbunden sein (© muro)

Schmerzen beim Stillen gehören zu den häufigsten Gründen für vorzeitiges Abstillen: Etwa ein Drittel der Frauen, die das Stillen vorzeitig beendet haben, gaben in einer Untersuchung Schmerzen als wichtigen Abstillgrund an. Der folgende Beitrag zählt die wichtigsten Ursachen für Schmerzen in der Stillzeit auf. Typische Schmerzen am Anfang der Stillzeit und später auftretende Schmerzen werden getrennt besprochen.

Inhaltsübersicht:

Schmerzen am Anfang der Stillzeit

Es gibt Schmerzen, die typischerweise am Anfang der Stillzeit vorkommen und entweder von allein aufhören oder mit kompetenter Unterstützung bald überwunden sind.

In den ersten Tagen nach der Geburt ist Stillen mit Bauchschmerzen verbunden: Diese entstehen durch Kontraktionen der Gebärmutter und fördern deren Rückbildung. Stillen reduziert den Blutverlust und senkt das Risiko von Komplikationen. Nachdem die Gebärmutter zurückgebildet ist, sind diese Schmerzen vorbei: Sie lassen nach wenigen Tagen nach und verschwinden innerhalb weniger Wochen vollständig.

In den ersten Tagen kann Stillen auch bei korrekter Stilltechnik vorübergehend schmerzhaft sein, weil die Brustwarzen nach der Geburt besonders empfindlich sind und sich an das kräftige Saugen durch das Baby noch gewöhnen müssen. Diese typischen Schmerzen in den ersten Tagen sind erträglich und gehen von allein vorüber, die Haut bleibt unverletzt. Sie sind beim Anlegen am unangenehmsten und lassen im Laufe der Stillmahlzeit – meist nach dem Auslösen des ersten Milchspendereflexes – nach, weil dann die Milch anfängt zu fließen. Deshalb spricht man hier auch von Ansaugschmerzen. Mithilfe einer sanften Brustmassage kann der Milchspendereflex vor dem Stillen ausgelöst werden. Dann fließt die Milch gleich beim Anlegen des Babys.

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Bleiben die Schmerzen während der ganzen Stillmahzeit bestehen und hören auf, sobald das Baby die Brust loslässt, dann ist das Baby inkorrekt angelegt oder trinkt mit einer ungünstigen Saugtechnik. Hier ist es unabdingbar, das korrekte Anlegen und Saugverhalten des Babys zu überprüfen, da ansonsten die Brustwarzen wund werden können (siehe Das korrekte Anlegen des Babys und den Video-Online-Kurs Gut Anlegen der Hebamme Regine Gresens (kostenpflichtig)).

Ist das Baby inkorrekt angelegt, kann die Mutter es von der Brust nehmen, indem sie im Mundwinkel den kleinen Finger zwischen die Kieferleisten schiebt und auf diese Weise den Saugschluss löst. Anschließend kann sie das Kind wieder anlegen. Es kann sein, dass dieser Vorgang mehrere Male wiederholt werden muss, bis das Kind korrekt angelegt ist.

Mehr Ursachen für Schmerzen beim Anlegen siehe im Abschnitt Hartnäckige Anlegeprobleme. Sollten sich die heftigen Schmerzen beim Stillen nicht durch die Korrektur des Anlegens beheben, kann es sinnvoll sein, die Milch vorübergehend – bis das Problem behoben ist – abzupumpen und das Kind mit der abgepumpten Milch mithilfe alternativer, stillfreundlicher Fütterungstechniken zu füttern (siehe auch Stillschwierigkeiten im Frühwochenbett).

Später auftretende, lang anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen beim Stillen

Einer Untersuchung zufolge leiden zwei Monate nach der Geburt etwa 20% der stillenden Mütter unter Schmerzen. Die Diagnostik und die Therapie solcher anhaltenden, wiederkehrenden oder neu auftretenden Schmerzen gehören zu den komplexesten Herausforderungen in der Stillberatung. Sie erfordern manchmal eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hebammen, Stillberaterinnen, Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen (Frauen-, Allgemein-, Kinder-, Hautärzte usw.) und weiteren Therapeutinnen (wie z.B. Physiotherapeutinnen oder Osteopathinnen). Geeignete Stillberaterinnen finden Sie auch im Verzeichnis für Unterstützungsangebote rund ums Stillen.

Anhaltende, neu auftretende und/oder wiederkehrende Schmerzen in der Stillzeit können vielfältige Ursachen haben.

Unphysiologische mechanische Beanspruchung der Brustwarzen während des Stillens

  • ungünstige Stillposition und Anlegetechnik: Manche Mutter-Kind-Paare praktizieren über längere Zeit hinweg eine ungünstige Anlegetechnik. Zwar trinkt das Baby, aber nicht effektiv und das Stillen ist schmerzhaft. Manchmal führt die regelmäßige unphysiologische Beanspruchung der Brustwarzen zu wunden Brustwarzen oder Entzündungen des Gewebes ohne sichtbare Wunden, sodass Schmerzen auch nach dem Stillen bestehen bleiben und in die ganze Brust ausstrahlen können. Die Brustwarzen können sensibel gegenüber jeglicher Berührung werden. Durch die Optimierung des Anlegens und eine Behandlung eventueller wunder Brustwarzen lassen mit der Zeit die Schmerzen nach. Manche Mütter müssen sehr viel Energie und Aufwand in die Optimierung der Stillposition und der Anlegetechnik investieren und permanent daran arbeiten, bei anderen Mutter-Kind-Paaren klappt das schmerzfreie Anlegen auf Anhieb. Eine in der Positionierung und der Anlegetechnik erfahrene Hebamme oder Stillberaterin ist bei hartnäckigen Anlegeproblemen  unverzichtbar. Geeignete Stillberaterinnen können Sie auch im Verzeichnis für Unterstützungsangebote rund ums Stillen suchen.
  • Verletzungen durch Milchpumpen oder Stillhütchen: In einer Untersuchung gaben 15% von pumpenden Müttern an, dass das Pumpen Verletzungen an der Brustwarze verursacht hat. Es gibt viele minderwertige Milchpumpen auf dem Markt ohne Zulassung als Medizinprodukt, welche ineffektiv saugen und das Brustgewebe verletzen können. Der Pumptrichter muss zur Brustwarze passend gewählt und richtig positioniert werden. Das Vakuum soll unterhalb der Schmerzgrenze eingestellt werden. Wenn der Milchfluss nachgelassen hat, sollte nicht mehr ausgiebig gepumpt werden (evtl. noch wenige Minuten, wenn die Milchmenge noch gesteigert werden soll, aber nicht länger). Auch Stillhütchen können Schmerzen und Verletzungen verursachen, wenn sie zu schmal oder zu kurz oder nicht zentriert aufgesetzt worden sind.
  • anatomische Besonderheiten im kindlichen Mundbereich und/oder abnormales Saugmuster seitens des Babys: Die Fähigkeit eines Babys, an der Brust korrekt anzudocken und zu saugen, hängt von zahlreichen Faktoren ab: u.a. von der Mund- und Kieferanatomie, vom neurologischen Reifegrad des Neugeborenen (z.B. im Falle von Frühgeburten) oder vom Muskeltonus. Babys mit Reflux, Atmungsproblemen, einem niedrigen Muskeltonus, neurologischen Problemen oder angeborenen Anomalien haben ein hohes Risiko für abnormales Saugen (siehe auch: Hartnäckige Anlegeprobleme). Hier ist die Unterstützung von Stillberaterinnen sowie Kinderärztinnen, ggf. Physiotherapeutinnen, Osteopathinnen usw. erforderlich, die Milchbildung muss ggf. durch Abpumpen/Handentleeren aufgebaut und aufrechterhalten werden, damit das Kind mit Muttermilch ernährt werden kann (siehe auch Aufbau und Aufrechterhaltung der Milchbildung nach Frühgeburt und auch bei Neugeborenen mit Erkrankungen und Saugproblemen).
  • Zu kurzes Zungenbändchen: Eine anatomische Besonderheit ist das zu kurze Zungenbändchen. Dieses behindert die Beweglichkeit der Zunge, was das Stillen erschweren und für die Mutter schmerzhaft machen kann. Mehr dazu im Artikel verkürztes Zungenbändchen.
  • anatomische Besonderheiten der Brustwarzen: besondere Brustwarzenformen können das effektive Saugen erschweren. Manchmal ist die Brustwarze zwar normal geformt, aber ihre Größe passt nicht gut zum Mund des Kindes, weil sie zu groß oder zu klein ist. Hier können verschiedene Stillpositionen ausprobiert und das Anlegen optimiert werden. Wenn das Anlegen auch unter professioneller Unterstützung nicht gelingt, können Stillhütchen erwogen werden, wobei Stillhütchen zahlreiche Nachteile haben.
  • Saugverwirrung: Eine falsche Saugtechnik und dadurch Schmerzen beim Stillen können auch durch eine Saugverwirrung entstehen. In diesen Fällen hat das Baby bereits die Flasche erhalten und das Saugen an der Flasche erlernt, was sich vom Saugen an der Brust prinzipiell unterscheidet. Mehr dazu im Artikel Das Baby von der Flasche an die Brust gewöhnen.
  • Baby beißt an der Brust bzw. drückt seine Kiefer zusammen: Dieses Verhalten kann verschiedene Ursachen haben, wie u.a. ein gebrochenes Schlüsselbein, Schiefhals, Geburtstrauma vom Hals, Schädel oder des Gesichts, Kieferasymmetrie, Ablehnung der Brust (z.B. aufgrund von Forcieren), tonischer Bissreflex, verstopfte Nase, Reaktion auf einen starken Milchspendereflex und Zahnen (mehr dazu im Artikel Beißen beim Stillen).

Probleme mit der Milchbildung

Sowohl mehr als auch weniger Milch als das Baby aktuell benötigt, können mit Schmerzen beim Stillen in Verbindung stehen.

Zu viel Milch kann zu unangenehmen Spannungen und Schmerzen in der Brust und der Brustwarze führen und erhöht das Risiko von Milchstaus und Brustentzündungen. Zu viel Milch kann auch mit Schmerzen beim Milchspendereflex einhergehen. Bei einer sehr prallen Brust kann das Erfassen der Brust für das Baby schwierig sein und somit auch zu mechanischen Verletzungen führen. Ist das Baby vom schnellen Milchfluss überfordert, quetscht es manchmal die Brustwarze zusammen (mit der Zunge oder dem Kiefer), um den Milchfluss zu drosseln, was für die Mutter sehr schmerzhaft ist.

Schmerzen und zu wenig Milch kommen oft zusammen vor, sie bedingen sich gegenseitig. Wenn die Milch zu langsam fließt, erzeugen manche Babys ein zu hohes Vakuum, um an die Milch heranzukommen. Auf der anderen Seite behindern eine ungünstige Anlege- und/oder Saugtechnik bzw. Anlegeprobleme aufgrund der mütterlichen oder kindlichen Anatomie den Milchtransfer an der Brust, was wiederum dazu führt, dass nicht genug Milch gebildet wird. Schmerzen beim Stillen können den Milchspendereflex außerdem ein Stück weit hemmen, was ebenfalls dazu beitragen kann, dass die Brust beim Stillen nicht gut entleert wird und somit die Milchbildung nicht gut angeregt wird. Ist das Stillen zu schmerzhaft, kann es hilfreich sein, die Milch vorübergehend und ggf. ergänzend manuell oder per Pumpe zu gewinnen und die Brust zur Bildung von mehr Milch zu stimulieren.

Entzündliche Erkrankungen der laktierenden Brust

Subklinische / subakute Mastitis / Dysbiose

Manche Autorinnen mutmaßen, dass ein Ungleichgewicht von normalerweise in der laktierenden Brust vorkommenden Keimen (Dysbiose) zu lang anhalten Schmerzen führen kann. Bei einer Dysbiose sollen bestimmte Bakterienstämme (bestimmte Staphylokokken und Streptokokken), die auch normalerweise zum Mikrobiom der Brust gehören, sich übermäßig stark vermehren und einen verdickten Biofilm in den Milchgängen bilden. Das Epithelium der Milchgänge entzündet sich, die Milchgänge verengen sich, der Milchfluss wird behindert. Ein solches Ungleichgewicht von Hautkeimen macht sich mutmaßlich durch beidseitige dumpfe, tiefe, brennende Brustschmerzen, Schmerzen während und nach dem Stillen (scharfe, stechende Schmerzen während des Milchspendereflexes) und Druckschmerzen insbesondere auf der Unterseite der Brust bemerkbar. Ansonsten sieht die Brust unauffällig aus. Zu viel Milch, wiederkehrende Milchstaus, Brustentzündungen, Bläschen und Risse an den Brustwarzen können mit diesem Zustand einhergehen. Diese Erkrankung kann mutmaßlich mit Antibiotika und Probiotika für die laktierende Brust behandelt werden, wie im ABM-Protocol Mastitis Spektrum (2022) beschrieben. Allerdings ist das Konzept der Dysbiose / subakuten bzw. subklinischen Mastitis umstritten. Manche Expertinnen halten die wissenschaftlichen Belege für nicht überzeugend und befürchten eine unnötige Gabe von Probiotika und vor allem Antibiotika (Douglas, 2022 und 2023; Baeza et al. 2022). Douglas befürwortet bei den beschriebenen Symptomen stattdessen die Behebung der übermäßigen Milchbildung, häufiges und flexibles Stillen nach Bedarf, die Optimierung des Anlegens und ggf. eine regelmäßige Brustgymnastik durch sanfte Bewegung der Arme und der Brust in verschiedene Richtungen.

Vasospasmus der Brustwarzen

Vasospasmus - Brustwarze mit weißer Spitze
Vasospasmus: Die Brustwarze verfärbt sich nach dem Stillen weiß / gelb / bläulich.

Vasospasmus der Brustwarze (weiße Brustwarzen): Ein Vasospasmus wird durch ein Verblassen der Brustwarzen zu Blau oder Weiß (abhängig vom Hautton) sowie scharfe, stechende oder brennende Schmerzen bis tief in die Brust charakterisiert. Schmerzen direkt nach dem Stillen, wenn die Brustwarze aus dem warmen Mund des Babys an die kühle Luft kommt, sind typisch. Vasospasmen treten selten direkt nach der Geburt auf, sondern typischerweise erst nach Tagen, Wochen bis mehreren Monaten (und je nach Stilldauer auch Jahren). Die Blutgefäße in der Brustwarze verengen sich (Vasospasmen), wodurch es zu einer Minderdurchblutung der Brustwarzen kommt. Betroffene Frauen haben oft auch kalte Füße und Hände.

Frauen mit einer Diagnose von rheumatoider Arthritis oder Raynaud-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für Vasospasmus der Brustwarzen. Vasospasmen der Brustwarzen wurden auch als Nebenwirkung von Beta-Blockern beschrieben, die gegen Bluthochdruck z.B. in der Schwangerschaft eingenommen wurden. Vasospasmen können auch entstehen, wenn die Milch sehr schnell fließt und das Baby seinen Kiefer beim Stillen zusammendrückt, um die Fließgeschwindigkeit zu drosseln. Häufig haben Frauen in solchen Fällen sehr viel Milch. Hier hilft häufig das zurückgelehnte Stillen, dann fließt die Milch ggf. langsamer bzw. das Baby hat mehr Kontrolle über das Geschehen und drückt seinen Kiefer evtl. nicht zusammen. Vasospasmen können auch mit zu wenig Milch assoziiert sein. Auch ein oberflächliches Anlegen, besondere Brustwarzenformen, Saugschwierigkeiten seitens des Babys z.B. aufgrund von zu kurzem Zungenband, Verspannungen, Asymmetrien usw. erzeugen eine Fehlbeanspruchung der Brustwarzen, was wiederum zu Vasospasmen führen kann. Daher ist die Optimierung des Anlegens und das Beheben eventueller Saugprobleme so wichtig.

Die nicht-medikamentösen Maßnahmen umfassen bei Vasospasmen die Überprüfung der Anlegetechnik (durch eine Optimierung der Anlegetechnik kann das Problem manchmal bereits gelöst werden), den Verzicht auf (Passiv)Rauchen und koffeinhaltige Getränke sowie die Überprüfung von ggf. eingenommenen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mit möglicher gefäßverengender Wirkung. Die Brustwarzen sollten als eine zentrale Therapiemaßnahme stets warm gehalten werden. Zur Verbesserung der Blutzirkulation kann auf BHs und (einengende) Kleidung verzichtet werden oder Brustdonuts können in BHs getragen werden.

Als Nahrungsergänzungsmittel zur Therapie werden in der Literatur Kalzium, Magnesium, Vitamin B6 und Omega-Fettsäuren, Lecithin und/oder Nachtkerzenöl empfohlen. In vielen Quellen wird empfohlen, Magnesium und/oder Kalzium hochdosiert einzunehmen. In Bezug auf die genaue Dosierung und die Dauer der Einnahme gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Möglich sind z.B. 1-4 x 300 mg Magnesium und 1-4 x 500 mg Kalzium pro Tag. Die Dosis kann nach dem Erreichen der Beschwerdefreiheit langsam ausgeschlichen werden. In Bezug auf Vitamin B6 gibt es etwas widersprüchliche Empfehlungen. Newman und Kernerman empfehlen vorübergehend eine kurze, aber intensive Dosierung von 100 mg zweimal täglich eine Woche lang. Wenn Linderung eingetreten ist, empfehlen sie die Einnahme eine weitere Woche lang und ggf. etwas länger. Hale and Rowe empfehlen auf der anderen Seite nicht mehr als 25 mg/Tag Vitamin B6 einzunehmen. Maier wiederum empfiehlt 125 mg Vitamin B6 für 5 Tage, dann täglich 25 mg für 1–2 Wochen über die Beschwerdefreiheit hinaus. Vasospasmen treten oft auf, wenn die Frauen während der Schwangerschaft hochdosiertes Magnesium genommen und es nach der Geburt abrupt abgesetzt haben. In einem solchen Fall kann es hilfreich sein, weiter Magnesium und auch Kalzium zu nehmen und es nur langsam auszuschleichen.

Schmerzmittel (v.a. Ibuprofen, ggf. Paracetamol, siehe weiter unten), dürfen ebenfalls genommen werden, wobei deren Wirkung oft erst einsetzt, nachdem die Vasospasmen sich bereits ohnehin gelöst haben. In hartnäckigen Fällen kann das verschreibungspflichtige Medikament Nifedipin eingesetzt werden. Dieses wirkt gefäßerweiternd und ist für die Behandlung des Raynaud-Syndroms zugelassen. Auch unter Nifedipin dauert es mehrere Tage bis Wochen, bis eine deutliche Besserung eintritt; laut der Goldfarb-Stillklinik in Kanada wird Nifedipin gegen Vasospasmus der Brustwarzen üblicherweise für 2 Wochen verschrieben, kann aber auch länger genommen werden, falls dies zur Symptombesserung erforderlich ist. Nifedipin wird vom embryotoxikologischen Beratungszentrum an der Berliner Charité aufgrund seiner guten Verträglichkeit auch für das Baby als Mittel der Wahl empfohlen (https://www.embryotox.de//arzneimittel/details/ansicht/medikament/nifedipin). Da Nifedipin den Blutdruck senkt, ist es für Frauen mit niedrigem Blutdruck gegebenenfalls nicht geeignet, und es empfiehlt sich, den Blutdruck auch während der Behandlung zu kontrollieren. Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel sollten stets in Absprache mit dem behandelnden Arzt genommen werden.

Schmerzhafter Milchspendereflex

Die meisten Frauen können den ersten Milchspendereflex, bei dem feine Muskelkontraktionen die Milch Richtung Brustwarze treiben, spüren, die nachfolgenden Milchspendereflexe sind meist nicht spürbar (siehe hier mehr zum Milchspendereflex). Der Milchspendereflex wird oft als Ziehen, Wärme, Kribbeln oder leichter Druck in der Brust beschrieben und ist in aller Regel ein angenehmes oder neutrales Gefühl. Meist spürt man den Milchspendereflex an der zweiten Brust, die gerade pausiert, deutlich stärker als an der gerade stillenden Brust. Manche Frauen empfinden den Milchspendereflex vorübergehend als unangenehm oder schmerzhaft. Vielfach lassen diese Schmerzen im Laufe der Wochen nach und verschwinden mit der Zeit von alleine. Ein Milchspendereflex, der Weh tut, kann ein Symptom anderer Probleme sein, vor allem für eine verstärkte initiale Brustdrüsenschwellung,  zu viel Milch, Milchstau oder Brustentzündung. Werden diese zugrunde liegenden Probleme behandelt, verschwinden auch die Schmerzen.

Infektionen

  • Soor an der Brustwarze, also eine übermäßige Vermehrung von Candida-Hefepilzen: Mehr darüber im Artikel Soor in der Stillzeit.
  • Virusinfektion der Brustwarze mit Herpes simplex oder Herpes zoster: Diese Infektionen können unter anderem auch die Brust betreffen. In einem solchen Fall wird davon abgeraten an der betroffenen Seite zu stillen, weil auch das Kind angesteckt werden kann, wobei es auch vorkommt, dass die Infektion vom Kind auf die Mutter übertragen wird. Sicherheitshalber wird empfohlen, die an der betroffenen Seite gewonnene Muttermilch vorübergehend zu verschütten, bis die Infektion ausheilt.
  • Infektionen von Verletzungen oder Ekzemen: Sowohl durch ungünstiges Anlegen/Saugen entstandene Verletzungen als auch Ekzeme anderer Ursachen können durch Bakterien (Staphylococcus aureus) infiziert werden. Typisch sind nicht abheilende Entzündungen und Fissuren, nässende Bläschen und gelbe Krusten. Bakterielle Infektionen werden mit topischen oder oralen Antibiotika behandelt.

Nicht-infektiöse Hauterkrankungen

  • Psoriasis: Eine Psoriasis kann während der Stillzeit (typischerweise vier bis sechs Wochen nach der Geburt) oder als Reaktion auf Verletzungen der Brustwarze durch suboptimales Anlegen aufflammen.
  • Ausschlag:
    • atopische Ekzeme können auch in der Stillzeit vorkommen und die Brust betreffen.
    • Kontakt-Dermatitis und Allergien: Überempfindlichkeit gegenüber Reibung an der Kleidung, Unverträglichkeit gegen bestimmte Stilleinlagen, Überempfindlichkeitsreaktion bei Kontakt zur Beikost bei älteren Stillkindern oder bestimmten Medikamenten, die das Baby über den Mund einnimmt, Allergien gegen Brustwarzensalben (recht häufig bei Lanolin) usw.

Verspannte Brustmuskulatur (Mammary Constriction Syndrome, MCS)

Dies ist eine relativ neue Entdeckung der kanadischen Laktationsberaterinnen Edith Kernerman und Eileen Park, weiterentwickelt durch die deutsche Laktationsberaterin und Osteopathin Gabi Andres. Beim Mammary Constriction Syndrom führen Verspannungen der Brustmuskulatur und/oder der seitlichen Sägemuskulatur zur Kompression von Blutgefäßen und Nerven, welche die Brust und die Brustwarzen versorgen. Die Frauen beschreiben anhaltende, stechende, brennende, tief in die Brust ziehende Schmerzen nach dem Stillen. Das Mammary Constriction Syndrom kann zusammen mit Vasospasmen auftreten. Die Verspannungen der Brust- und Sägemuskulatur können verschiedene Ursachen haben, wie z.B. eine ungünstige Stillposition, Angst vor Schmerzen beim Stillen z.B. aufgrund wunder Brustwarzen, Stress im Berufs- oder Familienleben, schwierige Geburten usw. Auch sonstige orthopädische oder muskuloskelettäre Ursachen (wie Schulter-Nacken-Verspannungen, nach vorne gezogene Schultern) können zu diesen Verspannungen führen, die auch unabhängig von der Stillzeit auftreten können. Bei einem Mammary-Constriction-Syndrom helfen eine gute Positionierung des Babys an der Brust und Dehnungsübungen und Lockerungsmassagen für die betroffenen Muskeln durch eine Osteopathin und ergänzend durch die Mutter selbst nach jedem Stillen.

Hormonelle Ursachen

  • Schwangerschaft: Tritt eine erneute Schwangerschaft auf, werden die Brustwarzen bei manchen Frauen empfindlicher, sodass das Stillen unangenehm wird. Das muss sich nicht gleich zu Beginn der Schwangerschaft bemerkbar machen, sondern manchmal erst im Laufe der Wochen und Monate. Nicht immer wissen Frauen, dass sie schwanger sind, und daher werden oft auch Vasospasmen und Soor als Ursache für die Schmerzen  in Erwägung gezogen. Im Gegensatz zu diesen Ursachen tut die Brustwarze während einer erneuten Schwangerschaft nicht mehr Weh, wenn das Baby die Brust losgelassen hat. In einer erneuten Schwangerschaft empfinden viele Frauen ein bisher ungekanntes ablehnendes Gefühl gegenüber dem Stillen.
  • Menstruation / Eisprung: Manche Frauen berichten darüber, dass sie das Stillen während ihrer Menstruation und / oder ihres Eisprungs unangenehm finden; manche Babys zeigen während dieser Zeitperioden auch ein unruhiges Verhalten an der Brust. Auf der anderen Seite spüren viele Frauen keinerlei Veränderungen während ihrer Menstruation / ihres Eisprungs in Bezug auf das Stillen.

Weitere mögliche Ursachen

  • Allodynie / funktionelle Schmerzen: Allodynie ist eine schmerzhafte Reaktion auf Reize, die normalerweise keine Schmerzen verursachen, wie bloße Berührungen. Bei betroffenen Frauen verursachen die Reibung von Kleidung, Stilleinlagen oder das Abtrocknen der Brustwarzen bereits unerträgliche Schmerzen. Allodynie der Brust kann isoliert oder zusammen mit anderen Schmerzerkrankungen vorkommen. Kommt eine Überempfindlichkeit der Brustwarzen nur in der Stillzeit vor und hat die Frau auch während des Stillens Schmerzen, dann rührt die Überempfindlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Entzündungsreaktion infolge einer unphysiologischen mechanischen Beanspruchung der Brustwarzen während des Stillens.
  • (Postpartale) Depression: Schmerzen beim Stillen und Depressionen treten häufig gemeinsam auf. Betroffene Patientinnen profitieren neben der Behandlung von Schmerzen auch von einer Psychotherapie und dem Austausch mit anderen Betroffenen (in Deutschland gibt es den Verein Schatten und Licht e.V, eine Selbsthilfeorganisation zu peripartalen psychischen Erkrankungen).

Geeignete Schmerzmittel und weitere Medikamente in der Stillzeit

Falls erforderlich, können bei Schmerzen in der Brust auch Schmerzmittel eingenommen werden. In der Stillzeit sind Ibuprofen und Paracetamol geeignete Schmerzmittel, nicht jedoch Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin oder Ass), welche in der Stillzeit nicht eingenommen werden sollte (bei einer einzelnen Tablette ist jedoch keine Stillpause erforderlich). Nebenwirkungen bei Säuglingen bei der Einnahme von Ibuprofen oder Paracetamol durch die stillende Mutter wurden nicht beobachtet. Diese beiden Wirkstoffe sind auch bei Säuglingen Mittel der Wahl, falls diese Schmerzen oder Fieber haben. Bei therapeutischer Gabe bis 1600 mg / Tag ist Ibuprofen in der Muttermilch nicht einmal nachweisbar. In vielen Fällen ermöglicht die Einnahme dieser Schmerzmittel erst das Weiterstillen.

Das Gleiche gilt auch bei weiteren Medikamenten wie Antibiotika. Durch die Einnahme geeigneter Medikamente, welche die zugrunde liegenden Krankheiten effektiv behandeln, kann das Stillen aufrechterhalten werden. Bei der Auswahl der in der Stillzeit geeigneten Medikamente sind die üblichen Arzneimittelinformationen (Beipackzettel, Rote Liste usw.) wenig geeignet, da sie von der Anwendung in der Stillzeit meist pauschal abraten. Die Arzneimittelhersteller schützen sich durch diese generelle Warnung vor möglichen Klagen bei einer für sie unbedeutenden, kleinen Zielgruppe, die gleichzeitig besonders viel Aufmerksamkeit erfordert. Mehr über Medikamente in der Stillzeit und geeignete Nachschlagewerke finden Sie im Artikel Arzneimittel und Stillen.

Quellen:

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© Dr. Z. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. Text, Bilder und Videos urheberrechtlich geschützt. Letzte Änderungen: November 2023.

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