Stillen nach Kaiserschnitt

Direkter Hautkontakt ist nach Kaiserschnitt nicht immer möglich (© slovegrove)
Direkter Hautkontakt ist nach Kaiserschnitt nicht immer möglich (© slovegrove)

Stillen nach einem Kaiserschnitt kann komplizierter als nach einer spontanen vaginalen Geburt sein. Die Milchbildung kommt häufig schwieriger in Gang und mehr Babys haben Saugprobleme. Auch die Unbeweglichkeit wie die Schmerzen beeinträchtigen den Stillstart, der Milchspendereflex der Mutter kann in der ersten Zeit gestört sein. Das Neugeborene verliert öfter stark an Gewicht, sodass es eventuell zugefüttert werden muss. Durch diese erschwerten Startbedingungen und aufgrund von unzureichender Unterstützung ist das Risiko nach einem Kaiserschnitt erhöht, dass die Mutter das Stillen aufgibt. Folgender Artikel fasst die wichtigsten Informationen zusammen und zeigt Strategien auf, wie das Stillen trotz Kaiserschnitt gelingen kann.

In Deutschland entbindet jede dritte bis vierte Mutter per Kaiserschnitt, in Österreich und der Schweiz fallen die Statistiken ähnlich aus. Nach einem Kaiserschnitt ist der Stillstart aus verschiedenen Gründen erschwert. Erstens werden die natürlichen physiologischen Prozesse gestört, zweitens sind aber auch die äußeren Rahmenbedingungen ungünstiger. Entbindung per Kaiserschnitt stellt somit einen Risikofaktor für einen verspäteten Milcheinschuss und verfrühtes Abstillen dar. Durch frühes, häufiges und effektives Entleeren der Brust und Anlegen / Füttern des Säuglings mit Kolostrum kann aber auch nach einem Kaiserschnitt oft erfolgreich gestillt werden.

Stillen nach Kaiserschnitt: das Baby liegt an der Brust der Mutter
Sectio-Bonding: Das Baby wird nach dem Kaiserschnitt auf die Brust der Mutter gelegt und zugedeckt (© Gabriele Kussmann)

Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Narkosemethode. Bei geplanten Kaiserschnitten wird in der Regel eine Regionalanästhesie (Periduralanästhesie, PDA) verwendet: Die Mutter wird unten betäubt, bleibt aber bei vollem Bewusstsein. Sie kann das Baby zu sich in Hautkontakt nehmen noch während der Eingriff beendet wird. Manche Neugeborene fangen an zu stillen. Direkter Hautkontakt unmittelbar nach einem geplanten Kaiserschnitt (Sectio-Bonding) in Regionalanästhesie wird bislang allerdings nur an wenigen Geburtskliniken ermöglicht. Es gibt unter den medizinischen Fachkräften öfter Bedenken, dass das Baby im OP-Raum auskühlen oder herunterfallen könnte, auch die Arbeit des Anästhesisten ist erschwert, wenn der Vater und die Hebamme mit im Raum sind. Manchmal ist auch nicht genug Platz im OP-Raum. In Babyfreundlichen Krankenhäusern ist Sectio-Bonding allerdings Vorschrift.  Entbindung in einer Klinik, in der Sectio-Bonding praktiziert wird, verbessert die Aussichten auf einen gelingenden Stillstart auch nach einem geplanten Kaiserschnitt.

Bei einer Vollnarkose ist die Mutter nach der Entbindung nicht bei Bewusstsein. Auch das Neugeborene kann durch das Narkosemittel länger schläfrig bleiben und zum effektiven Stillen mehrere Stunden oder Tage nicht in der Lage sein. Idealerweise nimmt der Vater das Baby in Empfang und legt es auf seinen nackten Oberkörper. Das Baby braucht in der Regel keine Säuglingsnahrung oder andere Flüssigkeit bis die Mutter stillen kann. Sobald die Mutter wieder bei vollem Bewusstsein ist und das Baby halten kann, kann sie es stillen.

Die Medikamente, die die Mutter bei einem Kaiserschnitt erhält, stellen kein Stillhindernis dar. Die Mutter darf auch die Schmerzmittel nehmen, die in den ersten Tagen ausgeteilt werden, sie darf trotzdem bedenkenlos stillen. Gelegentlich tritt nach Kaiserschnitt Fieber auf oder es kann zu Entzündungen kommen. Fieber, Entzündungen und auch eine eventuelle Antibiotika-Therapie sind kein Stillhindernis (siehe: Arzneimittel und Stillen)

Eine weitere Hürde nach einem Kaiserschnitt sind die Unbeweglichkeit und die Schmerzen der Mutter in den ersten Tagen nach der Geburt. Die Mutter braucht immer Assistenz, um das Baby anlegen zu können. Dies erschwert das spontane und häufige Anlegen. Außerdem ist auch schwieriger, eine bequeme Stillposition zu finden. Die Schmerzen durch die Narbe können den ganzen Bauch betreffen. Das Baby kann nicht auf den Bauch der Mutter gelegt werden und die Mutter kann sich zum Stillen auch nicht hochsetzen. Aufgrund der schwierigen Positionierung und des eventuell vorübergehend gestörten Milchspendereflexes kommen wunde Brustwarzen nach einem Kaiserschnitt öfter vor als nach einer natürlichen Geburt. Die Mutter braucht nach einem Kaiserschnitt daher besonders viel Unterstützung, damit sie erfolgreich stillen kann (siehe auch Stillposition nach Kaiserschnitt).

Mutterbrust mit gelben Tropfen Kolostrum
Kolostrumtropfen: Die manuelle Gewinnung von Kolostrum kann bereits in der Schwangerschaft kennengelernt werden, damit die Mutter diese Technik ab dem ersten Tag nach der Geburt praktizieren kann. (© Jengod, Wikimedia)

Neugeborene können nach einem Kaiserschnitt nicht immer effektiv an der Brust saugen. Auch bei geplantem, so genannten primärem Kaiserschnitt, bei dem das Kind keine Wehen erlebt hat und auf die Geburt nicht vorbereitet war, ist beim Neugeborenen in den ersten Stunden bis Tagen das natürliche Such- und Andockverhalten manchmal gestört. Auch bei Notkaiserschnitten, die oft nach Geburtsstillstand eingeleitet werden, kann das Such- und Andockverhalten gestört sein. Babys, die nach einem Kaiserschnitt schläfrig sind, lassen sich häufig durch die Gabe von Kolostrum wecken. Die frühzeitige und häufige Kolostrumgewinnung  – innerhalb einer Stunde nach der Entbindung zum ersten Mal und anschließend mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden – kurbelt die Milchbildung an, sodass die Frau ihr volles Milchbildungspotenzial zügig erreichen kann, auch wenn das Baby noch nicht in der Lage sein sollte, effektiv an der Brust zu saugen. So kann auch eine Zufütterung von künstlicher Säuglingsnahrung vermieden werden – das Baby kann Kolostrum von der Mutter erhalten. Die Mutter kann ihr Kolostrum per Hand gewinnen (es ergeben sich dabei zunächst nur etwa 0,5 bis 4 ml; zur Handgewinnung siehe die Lehrmaterialsammlung zum Handgewinnen) und es dem Baby per Löffel geben (siehe Muttermilch und Säuglingsmilch stillfreundlich füttern bzw. auch die Filme zum Handgewinnen, wo auch die Löffelfütterung dargestellt wird). Milchpumpen sind für die Entleerung von Kolostrum weniger effektiv als manuelles Entleeren. Wenn die Mutter mit dem manuellen Gewinnen nicht zurechtkommt, können Milchpumpen von Anfang an angewendet werden. Auch der Partner oder sonstige Angehörige oder evtl. Klinikpersonal können beim Handentleeren und Füttern assistieren, da die Finger der Mutter nach einem Kaiserschnitt zunächst etwas steif sind. Bei geplanter Kaiserschnittentbindung ist es daher besonders hilfreich, wenn die Frau und ihr Partner die Technik des Handentleerens bereits vor der Geburt kennenlernen. So kann es die Mutter direkt nach der Geburt anwenden. Das regelmäßige Entleeren von Kolostrum während der Schwangerschaft (ab der 37. Woche) ist nicht erforderlich und nur in speziellen Situationen sinnvoll (wie bei einer Diabetes-Erkrankung der Frau).

Baby liegt neben Mutter
Nach abgeschlossenem Kaiserschnitt mit PDA legt die Hebamme das Baby an die Brust. (© privat)
Mutter im Krankenhaus glücklich über das angedockte Baby
Angedockt! Das Baby fängt an zu saugen! (© privat)

Eine Zufütterung mit der Flasche sollte nach Möglichkeit vermieden werden, da eine Flaschengewöhnung zu einer hartnäckigen Ablehnung der Brust durch das Baby führen kann (Saugverwirrung). Muss das Baby zugefüttert werden (meist, wenn es mindestens 10% seines Geburtsgewichtes verloren hat), dann eignen sich alternative, stillfreundliche Methoden (siehe auch: Bekommt mein Baby genug Muttermilch?).

Sobald das Baby kräftig genug ist, an der Brust effektiv zu saugen (viele Neugeborene schaffen das auch nach einem Kaiserschnitt), kann es direkt trinken: mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden, damit die Milchbildung gut in Gang kommt. Auch häufiges Stillen mehrmals die Stunde rund um die Uhr ist im physiologischen Normbereich für Homo sapiens.

Tipps, damit das Stillen nach einem Kaiserschnitt gelingt

Im Folgenden werden die Maßnahmen zusammengefasst, mit deren Hilfe eine Mutter ihre Chancen erhöhen kann, trotz Kaiserschnitt erfolgreich stillen zu können. Allerdings lässt sich in der Realität nicht immer alles erreichen. Auch dann kann das Stillen noch klappen – manchmal mit etwas Verzögerung, harter Arbeit und Ausdauer (siehe auch: Wenn der Start der reichlichen Milchbildung auf sich warten lässt und wie die Milchmenge gesteigert werden kann).

Maßnahmen, um die Stillaussichten nach einem Kaiserschnitt zu erhöhen:

  • Nach Möglichkeit in einer Geburtsklinik mit dem WHO/UNICEF-Zertifikat Babyfreundlich entbinden.
  • Die Eltern können eine Geburtsklinik wählen, die das sog. Sectio-Bonding praktiziert, d.h. ungestörte Zeit in direktem Haut-zu-Haut-Kontakt bis zum ersten Stillen und länger noch im OP-Raum oder direkt danach.
  • Das Risiko, dass das Baby in den ersten Tagen nach der Geburt nicht effektiv saugen kann, ist nach einem Kaiserschnitt erhöht. Die Mutter und ihr Begleiter sollten das Entleeren von Kolostrum noch vor der Geburt kennenlernen (siehe Lehrmaterialien dazu) und z.B. das Smartphone mit in die Klinik nehmen, um die Anleitungen dort abspielen zu können. So kann die Mutter mit der Enleerung der Brust unmittelbar anfangen, falls das Baby Saugprobleme haben sollte. Siehe auch den Artikel Stillschwierigkeiten im Frühwochenbett: Erste Hilfsmaßnahmen.
  • Sehr viel direkten Haut-an-Haut-Kontakt mit dem Baby im Wochenbett praktizieren, um die Ausschüttung der Stillhormone Prolaktin und Oxytocin zu fördern. Auch die Neugeborenen sind fiter und fangen schneller an an der Brust zu saugen, wenn sie mit ihrer Mutter in ausgiebigem Haut-an-Haut-Kontakt sind.
  • Früh und häufig stillen: Darauf achten, dass das Baby innerhalb der ersten Stunde nach dem Kaiserschnitt zum ersten Mal und anschließend alle 1 bis max. 3 Stunden effektiv gestillt wird (also mindestens alle 1–3 Stunden vom Beginn der einen Stillmahlzeit bis zum Beginn der nächsten, insgesamt mindestens 8–12 Stillmahlzeiten am Tag und auch nachts max. 4 Stunden Pause; siehe auch Das richtige Stillmanagement). Falls das Baby noch nicht effektiv saugen kann, dann die Brust im gleichen Rhythmus entleeren, damit die Milchbildung trotzdem gut in Gang kommt, und das Baby mit dem gewonnenen Kolostrum füttern. Kolostrum kann auch zusätzlich, nach jedem Stillen gewonnen und dem Baby gegeben werden. Dies unterstützt die Milchbildung und hilft, einen starken Gewichtsverlust beim Baby zu vermeiden (siehe auch Bekommt mein Baby genug Muttermilch?).
  • In den ersten Tagen im Krankenhaus Hilfe holen, um das Anlegen zeigen zu lassen, bis es einwandfrei klappt. Den effektiven Milchtransfer von den Hebammen und Pflegekräften überprüfen lassen (siehe auch Das korrekte Anlegen und der Ablauf einer Stillmahlzeit).
  • Es ist sehr hilfreich, wenn die Mutter eine Begleitperson (Partner oder andere Angehörige oder eine Freundin) rund um die Uhr dabei hat, die das Baby der Mutter geben und bei der Positionierung helfen kann.
  • Nicht immer lässt sich eine Verzögerung der Milchbildung (verspätete Laktogenese II) nach einem Kaiserschnitt vermeiden. Verliert das Baby mehr als 10% seines Geburtsgewichts, muss es in der Regel vorübergehend mit industrieller Säuglingsnahrung zugefüttert werden. Um das Stillen zu erhalten, empfiehlt es sich, stillfreundlich zuzufüttern. Findet die Zufütterung an der Brust, z.B. mithilfe einer Sonde oder eines Brusternährungssets statt, wird die Milchbildung der Mutter während der Zufütterung gesteigert.
  • Für die Zeit nach der Entlassung noch rechtzeitig vor der Geburt eine Hebamme, Unterstützung für den Haushalt und für den Notfall auch eine Still- und Laktationsberaterin IBCLC oder vergleichbar qualifizierte Stillberaterin ausfindig machen, die Hausbesuche machen kann (siehe unser Stillberatungsverzeichnis).
Quellenangaben für diesen Beitrag

Quellen:

  • Vogelgesang E: Mit Schnitt getrennt und gleich verbunden – ein Praxisbericht zum Sectiobonding. Laktation & Stillen 2022;4:15-17.
  • Kontier M: Hunter-gatherer infancy and childhood: The !Kung and others. In: Hunter-Gatherer Childhoods: Evolutionary, Developmental, and Cultural Perspectives (Evolutionary Foundations of Human Behavior Series) (English Edition) 1. Auflage, Kindle Ausgabe, Hewlett BS, Lamb ME (ed.), Routledge; 1. Auflage, 2017
  • Morton J: More milk!!! Maximizing Milk supply with Early Hand Expression and Hands-on Pumping. Vortrag auf dem 11. Still- und Laktationskongress in Berlin, September 2017.
  • Basters-Hoffmann B: Geburtshilfliche Interventionen – Auswirkung auf das Stillen. Vortrag auf dem 11. Still- und Laktationskongress in Berlin, September 2017.
  • Becker GE, Smith HA, Cooney F: Methods of Breast Milk Expression. Cochrane Review 2015, Issue 2. http://www.thecochranelibrary.com
  • Frank S, Kussmann G, Böhm G: Das Babyfreundliche Krankenhaus – ein gewinnbringender Prozess. Laktation & Stillen. 2015(3):8-10.
  • Maier C: Verspätete Laktogenese. Laktation & Stillen 2014(2):29-30.
  • Guóth-Gumberger M, Hormann E: Einfühlsame Begleitung durch alle Phasen der Stillzeit. GU, 2014
  • Lawrence RA, Lawrence RM: Breastfeeding. A guide für the medical profession. Elsevier Mosby, 2005, 6. Aufl.
  • Bonyata K: Breastfeeding after a Cesarean Birth: http://kellymom.com/ages/newborn/newborn-concerns/c-section/
  • persönliche Erfahrungen und Austausch

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