Brustkrebs und Stillen

Brustkrebs-Symbol mit roter Schleife
Brustkrebs (© grgroup)

Wenn junge Frauen, die eine Brustkrebserkrankung überstanden haben, Kinder bekommen, stellt sich die Frage, ob sie stillen können. In einigen Fällen wird Brustkrebs während der Schwangerschaft oder der Stillzeit diagnostiziert. Das Überleben der Mutter und ihres Kindes ist in all diesen Situationen von größter Bedeutung – für die betroffenen Frauen kann es darüber hinaus auch wichtig sein, soweit möglich, trotz der Erkrankung stillen zu können, um die innige Nähe zu ihrem Baby zu genießen und ihm die wertvolle Muttermilch zukommen zu lassen.

Es stellt sich in dieser Situation die Frage, ob die Brustkrebserkrankung, -diagnostik und -therapie mit dem Stillen vereinbar sind, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Diese Fragestellungen beantwortet das neueste klinische Protokoll der Academy of Breastfeeding Medicine (ABM), erschienen im Juni 2020. Das Originaldokument befindet sich auf der Webseite der ABM und des Journals Breastfeeding Medicine. Die wichtigsten Aussagen seien hier zusammengefasst.

Frauen, die vor der Schwangerschaft die Krankheit überstanden haben, können an der intakten Brust häufig stillen. An der vom Krebs betroffenen Seite wird in aller Regel keine oder kaum Milch gebildet: Bei einer totalen Mastektomie wurde das komplette Brustgewebe entfernt. Auch wenn die Brustwarze erhalten wurde, ist diese nicht funktionstüchtig. Manchmal bleibt restliches Brustdrüsengewebe erhalten, welches in der Schwangerschaft an Umfang zunehmen kann. Eine nennenswerte Milchbildung ist jedoch nicht zu erwarten.

Auch nach einer brusterhaltenden Operation mit anschließender Strahlentherapie ist von einer deutlich reduzierten Milchmenge an der betroffenen Seite auszugehen. Denn bei einer Brustkrebsoperation wird nicht nur Brustgewebe entfernt, sondern es werden auch Nerven beschädigt, welche für den Milchspendereflex erforderlich sind. Die Bestrahlung schädigt das erhaltene Brustdrüsengewebe, sodass die Differenzierung des Gewebes zu aktiven, milchbildenden Drüsen in der Schwangerschaft ausbleibt. Der Brustwarze-Brustwarzenhof-Komplex versteift sich infolge der Bestrahlung, sodass auch die Gewinnung von Muttermilch mittels Pumpe oder per Hand erschwert ist.

Stillen an der intakten Brust kann für betroffene Frauen die Lösung sein. Es ist grundsätzlich möglich, ein Baby nur an einer Brust zu ernähren. Um die Milchbildung an der intakten Brust zu maximieren, kann die Brust unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Tagen / Wochen zusätzlich zum Stillen durch zusätzliche Milchgewinnung per Hand und/oder Pumpe stimuliert werden.

Da eine frühere Chemotherapie die Milchbildung auch an der intakten Brust beeinträchtigen kann, ist es sinnvoll, die Gewichtszunahme des Säuglings engmaschig zu kontrollieren und bei Bedarf Spenderinnenmilch oder industrielle Ersatzmilch zuzufüttern.

Tamoxifen und Aromatase-Inhibitoren, welche von manchen Frauen 5 bis 10 Jahre als adjuvante Hormontherapie genommen werden, können in Absprache mit dem Onkologen unter gewissen Umständen auch nach der Schwangerschaft vorübergehend pausiert werden, um das Stillen zu ermöglichen.

Es gibt unterschiedliche Behandlungsregimes bei Frauen, bei denen die Brustkrebserkrankung in der Schwangerschaft diagnostiziert worden ist. Manchmal findet eine Mastektomie oder eine brusterhaltende Operation während der Schwangerschaft statt, mit anschließender Strahlentherapie. In diesen Fällen kommt Stillen an der intakten Brust infrage.

Manchmal wird die onkologische Brustoperation auf die Zeit nach der Geburt verschoben. Meistens findet diese mindestens zwei Wochen nach der Geburt statt. In der Zeit zwischen Geburt und OP kann die Frau an beiden Brüsten stillen, auch an der betroffenen. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Muttermilch aus einer mit Krebs besiedelten Brust für das Baby schädlich wäre. Es ist nicht erforderlich, vor der onkologischen Brustoperation an der betroffenen Brust abzustillen.

Frauen, die während der Schwangerschaft eine Chemotherapie erhielten, haben eine deutlich reduzierte Fähigkeit, nach der Geburt Milch zu bilden, insbesondere, wenn sie die Chemotherapie relativ früh in der Schwangerschaft oder mehrere Zyklen absolvierten. Häufig erhalten betroffene Schwangere ihre Chemotherapie im zweiten Schwangerschaftsdrittel bis 3–4 Wochen vor der Geburt. Nach der Geburt wird mit den Chemotherapiezyklen fortgefahren. Während der Chemotherapie darf nicht gestillt werden, weil die giftigen Zytostatika in die Muttermilch übergehen. In der ersten Zeit nach der Geburt, bevor die Chemotherapie fortgesetzt wird, ist Stillen jedoch möglich. Möchte die Frau ihre Milchbildung auch während der Chemotherapie aufrechterhalten, kann sie ihre Milch in der Zeit per Pumpe und Hand gewinnen. Zwischen den Chemotherapiezyklen – sobald der Blutkreislauf der Mutter Zytostatika-frei ist – kann das Baby in Absprache mit dem Onkologen gestillt oder mit Muttermilch gefüttert werden. Die erforderliche Stillpause beträgt mindestens 1–10 Tage, je nach den verabreichten Zytostatika. Dabei ist zu beachten, dass die Milchbildung mit jedem Chemotherapie-Zyklus weiter zurückgehen kann. Dabei kann auch vorkommen, dass das Baby die Brust nach einer Chemotherapie-Zyklus-bedingten Stillpause verweigert, vor allem, wenn diese länger andauert.

Entscheidet sich die Frau, abzustillen bzw. ihre Milchbildung zum Erliegen zu bringen, ist eine allmähliche Reduktion der Milchbildung empfehlenswert. Wird die Entleerung der Brust plötzlich eingestellt, kann sich eine Brustentzündung (Mastitis) entwickeln. Dies ist gerade bei einer Brustkrebserkrankung und insbesondere während einer Chemotherapie zu vermeiden. Medikamente z.B. mit dem Wirkstoff Cabergolin können helfen, die Milchbildung zum Erliegen zu bringen.

Bei Frauen, bei denen Brustkrebs in der Stillzeit entdeckt wird, kann die Diagnostik ohne Abstillen durchgeführt werden. Mammografie, Ultraschall und Magnetresonanztomografie (MRT) können in der Stillzeit sicher durchgeführt werden. Stillen oder Entleerung der Brust mittels Pumpe / per Hand direkt vor der Untersuchung helfen Fehlinterpretationen der Untersuchungsergebnisse zu vermeiden. Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Skelettszintigraphie zur Stadieneinteilung können eine kurze Stillpause von 12 bzw. bis zu 4 Stunden erforderlich machen, in der die Milch gewonnen und dem Baby gegeben werden kann. Denn die gewonnene Muttermilch erhält nur geringe Mengen der radioaktiven Markersubstanz, während die Organe der Mutter für eine kurze Zeit radioaktiv strahlen können, sodass direkte Nähe zum Baby in dieser Zeit zu vermeiden ist.

Bei der Krebstherapie gelten die gleichen Prinzipien wie für Frauen, bei denen der Krebs während der Schwangerschaft diagnostiziert worden ist.

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