Stillvorbereitungskurse: Was Sie erwarten dürfen

Stillvorbereitungskurs (© Sarah Vetter)

Sich schon in der Schwangerschaft mit der Stillzeit zu beschäftigen ist für viele werdende Eltern neu. Sarah Vetter, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und Still- und Laktationsberaterin IBCLC, greift im folgenden Artikel die Frage auf, warum ein gesonderter Stillvorbereitungskurs aber schon vor der Geburt Sinn macht, wie ein solches Angebot ablaufen kann und welche Inhalte vermittelt werden. Hintergrund bildet dabei ihre mehrjährige Erfahrung in der Beratung und Anleitung von werdenden Eltern.

Neben dem Geburtsvorbereitungskurs werden immer mehr Frauen auf einen Stillvorbereitungskurs aufmerksam. Aber macht dieser zusätzliche Kurs überhaupt Sinn? Schließlich erwarten die meisten Schwangeren laut Umfragen, dass sie Informationen rund ums Stillen im Rahmen der Geburtsvorbereitung erfahren. Zudem stehen ja Hebammen und Pflegefachkräfte in der Geburtsklinik unterstützend zur Seite. Und darüber hinaus stellt sich sowieso die Frage, ob Frau nicht einfach darauf vertrauen kann, dass das Stillen des Babys schon klappen wird. Die Erfahrung zeigt allerdings: Frauen, die sich schon während der Schwangerschaft mit Muttermilchernährung, Stillmanagement und Bindung beschäftigt haben, können nach der Geburt auf dieses Wissen zurückgreifen. Nationale und internationale Institutionen wie die WHO/Unicef-Initiative „Babyfreundlich“ bestätigen ebenfalls die positive Wirkung der Stillvorbereitung in der Schwangerschaft und greifen diese in ihren Empfehlungen auf. Neben Eltern, die ihr erstes Kind erwarten, sollen mit einem Stillvorbereitungskurs auch Frauen angesprochen werden, die bisher leider keine gute Stillerfahrung sammeln konnten. Die Aufarbeitung hilft vielen Müttern in einer weiteren Schwangerschaft der kommenden Stillzeit zuversichtlich entgegen zu sehen.

Was erwartet mich nun, wenn ich einen Stillvorbereitungskurs besuche? Die Kursinhalte und vor allem die Art und Weise, wie Themen vermittelt werden, ist vielfältig. Von Stillinformationsabenden in der Klinik über individuelle Kurse bzw. Workshops bis hin zu verschiedensten Online-Angeboten ist das Angebot groß. Dies bietet werdenden Eltern aber eine breite Auswahl, um den für sie passenden Rahmen zu finden. Unterschiede gibt es auch bezüglich der Qualifikationen der Kursleitenden. Dabei veranstalten ehrenamtlich tätige Stillberaterinnen wie LLL- oder AFS-Beraterinnen ebenso wie Hebammen oder Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC explizit Stillvorbereitungskurse. Je nach Angebot variieren die Kosten für die Teilnahme.

Im Folgenden sollen drei Varianten der Stillvorbereitung vorgestellt werden. Zu erwähnen ist natürlich auch, dass in Geburtsvorbereitungskursen das Stillen im Regelfall eine Rolle spielt. Inwieweit die Kursleitung aber einen Schwerpunkt darauf legt, ist verschieden.

Bei der Stillvorbereitung im Rahmen eines Informationsabends in der Klinik ist die Zahl der Teilnehmenden meist höher als die in individuellen Kursen. Daher findet diese Veranstaltung aus organisatorischen Gründen häufig als Vortrag statt. Auch praktische Übungen sind in großen Gruppen eher selten, da dies schwierig durchzuführen ist.

Dafür stellt der Stillinformationsabend oftmals ein kostenloses Angebot der Klinik dar. Teilweise haben diese heute durchaus ansprechende Konzepte erarbeitet, mit denen sie interessierte Eltern erreichen möchten. Die Dauer eines Informationsabends beträgt ca. 1-2 Stunden, in denen den Eltern ein erstes Basiswissen zum Thema Stillen vermittelt wird. Nähere Informationen zu den genauen Inhalten erhalten Interessierte über die Homepages der Kliniken.

Ein weitaus detaillierteres Angebot, welches mit praktischen Übungen ergänzt und auf individuelle Fragen ausgerichtet ist, bieten Stillvorbereitungskurse von ausgebildeten Stillberaterinnen in Kleingruppen. Diese werden z.B. in Hebammenpraxen, Elternschulen oder ähnlichen Institutionen angeboten. Dabei werden im Regelfall verschiedene didaktische Methoden der Wissensvermittlung angewendet. Neben kurzen Vorträgen werden bspw. ergänzend Stillpositionen mit Puppen geübt, ein Stillquiz durchgeführt oder auch ein Video zum ersten Saugen des Babys an der Brust nach der Geburt gezeigt. Darüber hinaus haben die Teilnehmenden in individuellen Kursen jederzeit die Möglichkeit Fragen zu stellen. Werdende Väter sind sehr wichtige Unterstützer in der Stillzeit und daher im Kurs äußerst willkommen.

Der offene Austausch mit Fragerunden stellt für mich als Still- und Laktationsberaterin IBCLC einen der wichtigsten Eckpfeiler dar. Hierbei lege ich in meinen Kursen großen Wert darauf, dass Teilnehmende ihre Fragen und Bedenken in einem vertrauensvollen Rahmen besprechen dürfen. Dadurch profitieren in der Regel alle in der Gruppe, da sämtliche Informationen für alle relevant sind. Zudem nimmt dies den Paaren Unsicherheiten, da sie merken, dass sie mit ihren Fragen nicht alleine sind. Die Dauer eines individuellen Stillvorbereitungskurses beträgt ca. 2-4 Stunden oder länger. Manche Kurse werden auch über mehrere Termine aufgeteilt.

Immer öfter finden Elternkurse nun auch online statt. Neben Live-Video-Terminen sind Tutorials oder Vlogs eine beliebte Form von digitalen Kursangeboten. Darüber hinaus gibt es auch interaktive Formate, welche den Kontakt mit einer Stillberaterin bspw. per Chat ermöglichen.

Folgende Inhalte können Teil des Stillvorbereitungskurses sein:

  • Bedeutung des Stillens (Vorteile für Mutter, Kind und Gesellschaft), des Bondings direkt nach der Geburt und des Hautkontaktes allgemein
  • Anatomie der Brust, Milchbildung, Initiale Brustdrüsenschwellung (umgangssprachlich Milcheinschuss)
  • Stillmanagement (Stillzeichen, Stillfrequenz, Stillen nach Bedarf und Clusterfeeding, korrektes Anlegen an die Brust, Stillpositionen, Brustmassage, Gewinnung der Muttermilch per Hand)
  • Ammenmärchen rund ums Thema Stillen
  • 24h Rooming-in, Babyfreundliche Geburtsklinik
  • Rolle des Vaters, Unterstützung der stillenden Frau, Aufbau eines Netzwerks
  • (unnötige) Vorbereitung der Brust in der Schwangerschaft und Pflege der Brust in der Stillzeit, Ernährung der stillenden Frau
  • Vor- und Nachteile von Stillhilfsmitteln
  • Vorbeugung häufiger Stillprobleme wie z.B. wunde Brustwarzen, unzureichende Milchbildung, Milchstau
  • Besondere Situation bspw. Kaiserschnitt oder Trennung von Mutter und Kind
  • Adressen von Stillgruppen, Stillambulanzen oder ähnlichem sowie Buchempfehlungen

Eine kontinuierliche stillfördernde Begleitung vor und nach der Geburt ist wünschenswert und hilfreich. Durch einen Stillvorbereitungskurs erlangt die werdende Mutter bzw. erlangen die werdenden Eltern Handlungskompetenzen. Dies stärkt die positive Einstellung gegenüber dem Stillen und schließlich profitieren das Baby, die Eltern und die gesamte Gesellschaft.

Fazit

Sich schon in der Schwangerschaft auf die Stillzeit vorzubereiten ist ratsam und schafft gute Voraussetzungen für erfolgreiches Stillen. Ob nun ein Informationsabend in der Klinik, ein individueller Kurs in der Kleingruppe oder ein Onlinekurs das passende Format für die Stillvorbereitung in der Schwangerschaft ist, liegt aber ganz bei den Eltern. In Kombination mit anschließend fortgeführter Stillbegleitung sind Eltern optimal beraten.


Autorin:

Sarah Vetter Stillberaterin
Sarah Vetter, Still- und Laktationsberaterin IBCLC, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, Kindheitspädagogin B.A.

Quellen:

  • Bogensperger-Hezel E: Stillvorbereitung in der Schwangerschaft aus Sicht der Mütter. Laktation & Stillen 2018;4-6.
  • Persönliche Erfahrungen, Austausch mit Kursteilnehmenden
  • Nicin T: Stillvorbereitung der Eltern. Die Hebamme 2019;16-24.
  • Jäckel S: Vorbereitung auf das Stillen in der Schwangerschaft – ein Kurskonzept. Facharbeit erstellt im Rahmen der Qualifikation zur Still- und Laktationsberaterin IBCLC. 2018;4-6.
  • Initiative Babyfreundlich: Zehn Schritte für eine babyfreundliche Geburtsklinik. https://www.babyfreundlich.org/fachkraefte/fachinformationen/10-schritte.html (abgerufen am 10.12.20).

 

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