Babys mit Down-Syndrom stillen!

Eine Mutter stillt ihr Baby mit Down-Syndrom
Stillen eines Babys mit Down-Syndrom (© Pia Müller)

Stillen bei Babys mit Down-Syndrom (oder Trisomie 21) ist nicht nur möglich, sondern eine wertvolle Unterstützung für die Entwicklung, Gesundheit und Bindung. Dr. Pia Müller, Stillberaterin und Mutter eines Kindes, das mit dem Down-Syndrom lebt, zeigt im folgenden Artikel die Bedeutung des Stillens auch für Kinder mit Down-Syndrom, typische Herausforderungen und passende Lösungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der respektvollen Sprache und Haltung gegenüber Familien. Zusätzlich werden weiterführende Materialien und Unterstützungsangebote verlinkt.

Inhaltsübersicht:

Was ist das Down-Syndrom?

Das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, ist eine genetische Besonderheit, bei der das 21. Chromosom ganz oder teilweise dreifach vorliegt. In der Regel hat jeder Mensch 46 Chromosomen in seinen Körperzellen, Menschen mit Down-Syndrom haben 47 Chromosomen. Liegt in jeder Körperzelle ein zusätzliches 21. Chromosom vor, spricht man auch von einer freien Trisomie 21. Diese zusätzliche genetische Information beeinflusst die körperliche und kognitive Entwicklung eines Menschen.

Kinder mit Down-Syndrom sind so individuell wie alle anderen auch. Manche zeigen bestimmte typische körperliche Merkmale oder lernen etwas langsamer, doch ihre Entwicklung verläuft sehr unterschiedlich. Viele Babys sind gesund, andere bringen zusätzliche medizinische Besonderheiten mit, wie z. B. einen Herzfehler oder einen niedrigeren Muskeltonus. Das Down-Syndrom an sich ist keine Krankheit.

Mit liebevoller Unterstützung, medizinischer Begleitung und passenden Förderangeboten können Menschen mit Down-Syndrom ein erfülltes und aktives Leben führen.

Mehr zur Entstehung einer Trisomie 21: [Video auf Vimeo]

Weitere Informationen zum Down-Syndrom finden sich auf den Seiten des Deutschen DownSyndrom InfoCenters.

Die Bedeutung des Stillens auch bei Babys mit Down-Syndrom

Stillen bietet eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen – sowohl für das Stillkind als auch für die Mutter. Muttermilch ist perfekt auf die Bedürfnisse von Babys abgestimmt und liefert alle essentiellen Nährstoffe, die für gesundes Wachstum und eine gute Entwicklung notwendig sind. Für die Mutter hat das Stillen ebenfalls positive Effekte: Es senkt das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs und unterstützt den Bindungsaufbau. Ein ausführlicher Beitrag dazu findet sich hier (Warum Stillen so wichtig ist).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt daher, Säuglinge während der ersten sechs Lebensmonate ausschließlich zu stillen und das Stillen auch nach der Einführung von Beikost bis zu zwei Jahre oder länger fortzusetzen.

Auch Babys mit Down-Syndrom profitieren von dieser Empfehlung, denn für sie können die positiven Effekte von Stillen und Muttermilchernährung besonders wertvoll sein. Stillen trägt nicht nur zur allgemeinen körperlichen Gesundheit bei, sondern unterstützt unter anderem auch die sprachliche und motorische Entwicklung, da es die Muskulatur im Mundbereich effektiv trainiert.

Warum Stillen für Babys mit Down-Syndrom besonders wertvoll ist

Muttermilch ist weit mehr als nur Nahrung. Sie unterstützt die Gesundheit, Entwicklung und Bindung auf vielfache Weise, gerade bei Kindern mit Trisomie 21. Viele Babys mit Down-Syndrom profitieren besonders von:

1. Unterstützung des Immunsystems

Babys mit Down-Syndrom können aufgrund eines schwächer ausgeprägten Immunsystems ein höheres Risiko für Infektionen haben, besonders für Infektionen der Atemwege. Muttermilch stärkt ihr Immunsystem, da sie eine Vielzahl von Substanzen enthält, darunter Antikörper, Immunfaktoren, Enzyme und weiße Blutkörperchen. Diese tragen dazu bei, das Baby während des Stillens und in einigen Fällen auch lange nach dem Abstillen zu schützen.

2. Sprachentwicklung

Stillen an der Brust und die sich wiederholende Saugbewegung und Koordination fördern den physiologischen Mundschluss und helfen, die Zunge und andere Muskeln im Mund zu stärken, die für das spätere Sprechen benötigt werden. Dies ist von Vorteil, da Babys und Kinder mit Down-Syndrom oft verzögert sprechen lernen. Einer der Gründe dafür ist ein niedriger Muskeltonus im Mund- und Kieferbereich, der durch das Stillen erhöht wird.

3. Darmgesundheit

Stillen spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Darmgesundheit des Babys und bei der Ausbildung der Darmflora mit nützlichen Bakterien. Menschen mit Down-Syndrom haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für Wachstumsstörungen, Übergewicht oder Magen-Darm-Probleme wie Verstopfung, Durchfall und Reflux. Stillen trägt nachweislich dazu bei, dass das Risiko für diese gesundheitlichen Probleme verringert wird.

Körperliche Merkmale, die beim Stillen eines Babys mit Down-Syndrom von Bedeutung sind

Jedes Baby mit Down-Syndrom ist unterschiedlich und einzigartig, so wie andere Babys auch verschieden sind.

=> Ermutigend: Viele Babys mit Down-Syndrom stillen von Anfang an gut an der Brust, viele andere erlernen das Stillen mit etwas Geduld und guter fachlicher Begleitung.

Die im Folgenden beschriebenen körperlichen Merkmale können auf ein Baby zutreffen oder auch nicht. Es handelt sich jedoch um häufig auftretende Herausforderungen, die von Eltern beschrieben werden.

1. Niedriger Muskeltonus (Muskelhypotonie)

Babys mit Down-Syndrom können einen niedrigen Muskeltonus haben. Dies kann dazu führen, dass es ihnen zunächst schwerer fällt, effektiv an der Brust zu saugen. Häufig bessert sich dies innerhalb kurzer Zeit, und sie erlernen das Stillen an der Brust. Stillpositionen für Frühgeborene wie die zurückgelehnte Haltung oder die Hoppe-Reiter-Position helfen hier oft gut.

2. Verzögerte Saug-/Schluckkoordination

Einige Babys mit Down-Syndrom können anfangs Schwierigkeiten haben, Saugen, Schlucken und Atmen zu koordinieren. Dies ist besonders bei Frühgeborenen häufig der Fall. Dies bessert sich in der Regel mit der Zeit und etwas Übung.

3. Erhöhtes Schlafbedürfnis und lange Schlafphasen

Babys mit Down-Syndrom können in den ersten Wochen ein erhöhtes Schlafbedürfnis zeigen. Dies ist besonders bei Frühgeborenen der Fall oder wenn das Baby mit einer Herzerkrankung geboren wird. Zu lange Schlafphasen wirken sich negativ auf das Stillen und die Gewichtsentwicklung aus, wenn das Baby durch lange Schlafphasen zu selten stillt. Viel Hautkontakt sowie sanfte Weckmethoden wie Füßchen massieren oder Lichtreize helfen, das Baby zum Stillen zu motivieren (s. auch Ein schläfriges Baby zum Stillen wecken).

4. Operationen in den ersten Lebenswochen oder -monaten

Wenn das Baby in den ersten Lebenswochen oder -monaten operiert wird, kann dies Auswirkungen auf das Stillen haben. Es gibt viele Wege, wie ein Baby mit Down-Syndrom dennoch stillen kann oder wie es stillfreundlich mit Muttermilch ernährt werden kann.

Vorbereitung in der Schwangerschaft

Wenn schon vor der Geburt bekannt ist, dass das Baby mit Trisomie 21 geboren wird, lohnt es sich, sich gezielt auf das Stillen vorzubereiten. Empfehlenswert:

Stillen bei (anfänglichen) Herausforderungen

Falls das direkte Stillen an der Brust anfangs (noch) nicht klappt, gibt es viele Möglichkeiten, trotzdem zu stillen oder das Stillen wieder aufzubauen. Muttermilch kann:

Wird Muttermilch per Flasche gegeben, erfolgt dies idealerweise nach dem paced bottle feeding (“babygerechte Flaschenfütterung”).

Den Kaloriengehalt von gewonnener Muttermilch erhöhen

Manchmal brauchen Babys mit Down-Syndrom zusätzliche Kalorien, etwa zur Vorbereitung auf eine OP. Dies kann auch mit Muttermilch erfolgen. Mehr über den Fettgehalt von Muttermilch findet sich hier. Tipps:

  • Den Fettgehalt der Muttermilch durch fraktioniertes Abpumpen erhöhen
  • Den Fettschicht Rahm nach dem Abkühlen abschöpfen und extra füttern
  • Möglichst stillfreundlich zufüttern, um die Saugmotivation zu erhalten

Wachstum richtig einschätzen

Ein langsameres Längenwachstum ist bei Kindern mit Down-Syndrom häufig und nicht automatisch ein Problem. Wichtig: Die im gelben U-Heft vorhandene Perzentilenkurve passt in der Regel nicht auf ein Kind mit Down-Syndrom. Stattdessen sollten Wachstumskurven speziell für Kinder mit Down-Syndrom verwendet werden. Diese sind z. B. in der Broschüre „DS-Gesundheits-Check“ enthalten (Bezahlangebot).

Für Fachkräfte: Haltung und Sprache – Schlüssel zur respektvollen Begleitung von Familien mit einem Kind mit Down-Syndrom

Fachkräfte, die Familien mit einem Kind mit Down-Syndrom begleiten, haben eine besondere Verantwortung: Sie gestalten mit ihrer Haltung, ihrem Wissen und vor allem mit ihrer Sprache den Rahmen für eine unterstützende, vertrauensvolle Beziehung. Schon die ersten Gespräche nach der Geburt – oder sogar vorgeburtlich – prägen, wie Eltern ihr Kind sehen, wie sie sich selbst in ihrer Rolle erleben und wie offen sie sich auf den neuen Lebensabschnitt einlassen können.

Das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, ist keine Krankheit, sondern eine genetische Besonderheit. Menschen mit Down-Syndrom sind zuallererst Individuen mit ihren eigenen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Perspektiven. Sie sind Kinder, die lachen, lernen, Bindung suchen, wachsen, genauso wie alle anderen Kinder auch.

Die Person zuerst – nicht das Syndrom

Ein zentrales Element professioneller Haltung ist die Art und Weise, wie über das Kind gesprochen wird. Sätze wie „Emil hat das Down-Syndrom“ stellen die Person in den Mittelpunkt. Dagegen reduzieren Formulierungen wie „Down-Syndrom-Kind“ oder gar „Trisomie-Kind“ das Kind auf eine Diagnose – sie transportieren (oft unbeabsichtigt) Abwertung oder Einseitigkeit. Durch personenzentrierte Sprache können Fachkräfte ein respektvolles Miteinander positiv beeinflussen.

Auch im Gespräch mit den Eltern ist es hilfreich, die Besonderheit erst dann zu thematisieren, wenn es fachlich notwendig ist, und auch dann in angemessener, sensibler Form. Eltern nehmen fein wahr, ob ihr Kind als wertvoll, willkommen und kompetent gesehen wird, unabhängig von der Chromosomenanzahl.

Was Menschen mit Down-Syndrom über das Wort “Downie” denken (ab Min 3:53).

Ein Beitrag zum Thema Sprache aus der Zeitschrift “Leben mit Down-Syndrom” von Mai 2014.

Sprache schafft Realität

Begriffe wie „Anomalie“, „Störung“ oder „Defekt“ sind im medizinischen Kontext vielleicht etabliert, aber für Familien emotional hoch aufgeladen. Eine respektvolle Kommunikation spricht stattdessen von Unterschieden, Besonderheiten oder individuellen Voraussetzungen. Menschen ohne Behinderung sollten nicht als „normal“ bezeichnet werden – „neurotypisch entwickelt“ oder „nicht behindert“ sind neutralere Begriffe, die nicht ausgrenzen.

Auch stereotype Aussagen wie „Kinder mit Down-Syndrom sind immer fröhlich“ oder „lieb“ mögen gut gemeint sein, greifen aber zu kurz und verkennen die individuelle Persönlichkeit eines jeden Kindes.

Haltung zeigt sich in kleinen Momenten

Haltung drückt sich nicht nur in medizinischen Empfehlungen oder Beratungsgesprächen aus, sondern in vielen kleinen Situationen: Wie wird das Kind begrüßt? Wird es als aktive Person wahrgenommen? Wird die Familie in ihren Kompetenzen gestärkt? Gerade in belastenden oder verunsichernden Momenten brauchen Eltern das Gefühl, als Ganzes gesehen und nicht auf eine Diagnose reduziert zu werden.

Für viele Eltern ist es entscheidend, wie sie ihr Kind in den ersten Stunden, Tagen und Wochen erleben – und wie ihr Umfeld mit diesem Kind umgeht. Fachkräfte haben dabei großen Einfluss: durch ihre Haltung, ihre Wortwahl und ihre Offenheit.

Sprache verändert sich – und das ist gut so

Einige Menschen mit Down-Syndrom lehnen den Begriff „Down-Syndrom“ ab, da das Wort „down“ (engl. für „nieder“) negativ besetzt ist. Manchmal wird der Begriff „Trisomie 21“ bevorzugt. Sprachliche Entwicklungen spiegeln gesellschaftlichen Wandel wider. Es lohnt sich, diesen Veränderungen aufmerksam zu folgen und die Wünsche der betroffenen Personen und Familien ernst zu nehmen.

Professionelle Fachlichkeit und menschliche Haltung gehören untrennbar zusammen. Eine wertschätzende, inklusive Sprache ist eine Grundlage für gute Kommunikation, Beziehung und Teilhabe. Sie hilft dabei, Eltern zu stärken, Kinder willkommen zu heißen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Vielfalt selbstverständlich ist.

Sprache – einige Anregungen

Statt… lieber:
Ein Down-Baby/Person/Kind, ein Trisomie-Kind Eine Person/ein Kind mit Down-Syndrom ODER die/der/das Down-Syndrom hat ODER die/der/das mit dem Down-Syndrom lebt
Downie (als Abkürzung) DS (als Abkürzung, falls erforderlich)
Leidet am Down-Syndrom ODER ist vom Down-Syndrom betroffen Leidet am Down-Syndrom ODER ist vom Down-Syndrom betroffen
Geistig behindert/zurückgeblieben Mensch mit Behinderung ODER
intellektuelle Beeinträchtigung ODER kognitive Beeinträchtigung / kognitiv beeinträchtigt
Krankheit/Handicap genetische Besonderheit/Ausstattung/Veränderung / ODER einfach
Down-Syndrom ODER Trisomie 21
Das “Risiko”, dass ein Baby das Down-Syndrom hat (in Bezug auf die vorgeburtliche Untersuchung)
Die “Wahrscheinlichkeit”, dass ein Baby das Down-Syndrom hat
Gute / schlechte Nachrichten/Neuigkeiten (z.B. bei der Mitteilung der Diagnose) Erwartete/unerwartete Nachrichten/Neuigkeiten (z.B. bei der Mitteilung der Diagnose)

Quellen und weiterführende Informationen:

Kurzbiografie der Autorin:

Pia MüllerDr. Pia Müller ist promovierte Physikerin, IBCLC und ehrenamtliche Stillberaterin AFS. Eins ihrer Kinder lebt mit dem Down-Syndrom. Neben dem Beratungsschwerpunkt “Stillen und Down-Syndrom” leitet sie den Arbeitskreis „Stillen bei Erwerbstätigkeit” der AFS.

Beraterinnen-Profil:
Babys mit Down-Syndrom stillen: Stillberatung für (werdende) Eltern – Still-lexikon Verzeichnis

 


© Dr. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. Text, Bilder, Videos sind urheberrechtlich geschützt.  Erstellt: Juli 2025

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