In der Reihe „Who is who in der Stillförderung“ werden alle Berufsgruppen und Organisationen in der Stillförderung nach und nach vorgestellt, um den Müttern eine Orientierung zu bieten. In diesem Beitrag geht es um die gemeinnützige Stillorganisation Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS).
Unsere Interview-Partnerin ist Sarina Exner, seit 2014 erste Vorsitzende der AFS und Mutter von 3 Kindern zwischen sechs und anderthalb Jahren.
Was bietet die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen den jungen Müttern?
Wir sind ein ehrenamtlich arbeitender, gemeinnütziger Verein zur Förderung des Stillens und haben verschiedene kostenlose Angebote. Wir haben eine Stillhotline (Tel.: 0228 9295999, siehe www.afs-stillen.de), die die jungen Frauen noch aus dem Krankenhaus oder von zu Hause aus bequem anrufen können. Unsere Stillberaterinnen bieten auch vor Ort Telefonberatung und Stillgruppen an. In bestimmten Situationen machen unsere Beraterinnen auch Hausbesuche. Wir haben außerdem Faltblätter zu verschiedenen Themen, die wir an die Eltern gratis herausgeben und in Krankenhäusern oder an Messeständen herauslegen, damit die Frauen diese mit nach Hause nehmen und dort lesen können. Auch auf unserer Webseite können die Faltblätter heruntergeladen werden. Wir bieten darüber hinaus auch die Ausbildung zur Stillberaterin. Zurzeit sind in unserem Verein etwa 1500 Stillberaterinnen aktiv.
Man kann die AFS also bereits vom Krankenhaus aus anrufen?
Ja. Im Idealfall hat eine Schwangere eine Liste mit Telefonnummern für den Fall, dass nach der Geburt etwas gebraucht wird, und hat auch unsere Telefonnummer notiert. Manche Frauen bekommen ihr Kind im Krankenhaus und rufen von dort aus gleich die Stillberaterin an.
Wie reagieren darauf die Mitarbeiterinnen im Krankenhaus?
Das ist unterschiedlich. Meiner Erfahrung nach freuen sich die Mitarbeiterinnen im Krankenhaus, wenn sie ein bisschen Entlastung haben. In den Krankenhäusern herrscht oft großer Personalmangel. Oft liegt auf der Station bereits unsere Visitenkarte mit unserer Stillhotline aus. In vielen Krankenhäusern sind wir bereits bekannt.
Wie funktioniert die Telefonberatung?
Für eine telefonische Beratung können die Frauen entweder eine Beraterin vor Ort oder die zentrale Stillhotline anrufen. Ich würde zuerst immer eine Stillberaterin vor Ort in Erwägung ziehen, weil dann die Möglichkeit besteht, sich mit der Stillberaterin persönlich zu treffen oder die Stillgruppe zu besuchen. Oft gibt es in Deutschland und Österreich aber keine Möglichkeit, eine Stillberaterin in der Nähe zu finden. Dann lohnt es sich die Stillhotline anzurufen. Die kann viele Fragen bereits beantworten und hat auch die Möglichkeit, im internen Mitgliederbereich nachzuschauen, ob es nicht doch eine Stillberaterin vor Ort gibt, denn nicht alle Stillberaterinnen der AFS sind auf unserer Homepage gelistet. Die Hotline ist in der Regel sehr gut besetzt. Es kann natürlich sein, dass die Hotline-Beraterin gerade mit ihrer Familie beschäftigt ist. Sie ruft dann aber in wenigen Minuten zurück. Auch wenn die Frau bei einer Beraterin vor Ort anruft, wird diese in der Regel einen Termin für ein ruhiges Gespräch ausmachen.
Eine Telefonberatung eignet sich gut als Erstgespräch. Sie hat aber auch Grenzen. Denn wenn eine Frau ihr Problem nur am Telefon beschreibt, dann kann es sein, dass die tatsächliche Ursache nicht erkannt wird. Wir sehen bei einem persönlichen Treffen manchmal auch weitere Dinge als die Frau.
Mit einer persönlichen Beratung kommt man also oft weiter.
Ja, eine Vor-Ort-Beratung ist viel effektiver als eine telefonische. Sie ist persönlicher, man kann sich anschauen und man erkennt viel mehr als am Telefon. Manchmal kann eine effektive Beratung gar nicht ohne persönliches Treffen stattfinden. In anderen Situationen lässt sich das Problem auch am Telefon gut klären und ein persönliches Treffen ist dann nicht mehr nötig.
Wo finden persönliche Stillberatungen statt und mit welchen Kosten sind sie verbunden?
Die meisten persönlichen Beratungen finden zu Hause bei der Mutter statt, um sie nicht aus dem Wochenbett herauszureißen. Auch ein Hausbesuch ist grundsätzlich kostenlos. Um die Frau zu Hause besuchen zu können, kann die Beraterin gegebenenfalls um eine Fahrtkostenentschädigung (um die 30-35 Cent/km) bitten. Die meisten Familien sind aber froh, wenn sie wenigstens die Fahrtkosten bezahlen können, wenn sie schon die Beratung nicht bezahlen.
Wie läuft ein Stillgruppentreffen bei der AFS ab?
Die Stillgruppen finden die Frauen auf unserer Homepage (http://www.afs-stillen.de/index.php/afs-vor-ort/stillberatung). Der genaue Ablauf hängt von der Stillberaterin ab. Die meisten Stilltreffen finden zweimal im Monat statt und dauern ein- bis zwei Stunden. Viele Beraterinnen bieten eine offene Runde an, in der jede Frau schildern kann, was ihr auf dem Herzen liegt. Die Frauen unterhalten sich untereinander, machen sich gegenseitig Mut und finden gemeinsam Lösungen. Oft gibt es Stillgruppentreffen mit Themenvorgaben, z.B. zum Thema Beikost, Schlafen, Zahnen oder Wachsen. Dann kann die Beraterin zum Thema etwas erzählen und die Frauen diskutieren darüber. Es liegen außerdem in vielen Stillgruppen zu Still- und Erziehungsfragen Bücher aus, die man ausleihen kann.
Auch die Stillgruppen sind übrigens kostenlos. Das heißt, die Mütter zahlen keinen festen Satz an die Stillberaterin. Häufig hat man eine kleine Kaffee- und Kuchenpauschale, damit jeder etwas zu trinken hat und Kuchen oder Kekse in nettem Rahmen angeboten werden können. Diese Pauschale kommt dann ins Sparschwein.
Welche Vorteile hat es aus Ihrer Sicht eine Stillgruppe zu besuchen?
Stillgruppenbesuche haben einen ganz großen Vorteil: Die Frauen kommen von zu Hause heraus und lernen gleichgesinnte Mütter kennen. Die Frauen denken oft, sie sind mit ihren Problemen allein. Dabei betreffen diese in den meisten Fällen fast alle stillenden Mütter. Jeder hat mal einen Wachstumsschub durchgemacht. Man knüpft Kontakte, man bekommt Mut weiterzustillen, man wird bestärkt und gelobt. Und das brauchen die Frauen heutzutage, weil so viel Unsicherheit in der Welt herrscht.
Wird auch E-Mail-Beratung angeboten?
Per E-Mail effektiv zu beraten ist schwierig. Anfragen per E-Mail erreichen uns über unsere Geschäftsstelle oder den Bundesvorstand. Die leiten die Mails an die entsprechenden Beraterinnen vor Ort weiter. Es ist oft sinnvoll, trotz E-Mail-Anfrage miteinander zu telefonieren, um die Fragen effektiver zu beantworten, die Ursache eines Problems herauszufinden oder Mut zu machen. Aber es ist auf alle Fälle besser, wenn die Mutter eine E-Mail schreibt als wenn sie sich gar nicht meldet. Mit einer Antwort kann man – das ist unterschiedlich von Beraterin zu Beraterin – oft innerhalb eines Tages rechnen.
Woher hat eine AFS-Stillberaterin ihre Kompetenz und was beinhaltet ihre Ausbildung?
Unsere Stillberaterinnen sind in aller Regel Mütter von (ehemals) gestillten Kindern. Das ist eine Voraussetzung für die Ausbildung. In Einzelfällen haben wir auch Ausnahmen gemacht. So bilden wir z.B. eine Kinderkrankenschwester auf einer Wochenstation aus, auch wenn sie keine eigenen Kinder bzw. Stillerfahrung hat. Unsere Ausbildung beinhaltet sieben verschiedene Kurse, die die Frauen durchlaufen müssen. Das sind Methodenkurse und medizinische Kurse. Die Frauen sollten die Kurse innerhalb von zwei Jahren belegen sowie eine Stillgruppe, ein Ländertreffen und eine Mitgliederversammlung besuchen, um später ihre Prüfungsfragen zu beantragen. Die Prüfungsfragen schicke ich an die Frauen raus und sie haben dann drei Monate Zeit schriftlich ihre Prüfung zu beantworten. Nach bestandener Prüfung erhalten die Frauen ihr Zertifikat, das für zwei Jahre gilt. Dieses Zertifikat ist nur bindend, wenn die Frau weiterhin in unserem Verein tätig ist. Durch regelmäßige Fortbildungen, z.B. über unseren Jahreskongress, können die Frauen alle zwei Jahre rezertifizieren.
Wo sehen Sie den Unterschied zwischen einer Beraterin der AFS und einer Still- und Laktationsberaterin IBCLC?
Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC müssen einen medizinischen Grundberuf (Hebamme, (Kinder)Krankenschwester, Ärztin usw.) haben. Bei der AFS hingegen darf jede Frau die Ausbildung zur Stillberaterin machen. Die IBCLCs haben eine medizinisch geprägte Ausbildung, welche viel mehr zusätzliches Fachwissen vermittelt als unsere. Die Ausbildung zur IBCLC ist sehr kostenintensiv (zwischen 3000 und 5000 €), während unsere Ausbildung mit 25 € pro Kurs (200 € für alle Kurse) und einer Jahresmitgliedschaft um die 50 € nicht viel kostet. IBCLCs können ihre Beratung natürlich ganz anders abrechnen und verdienen Geld damit. Wir arbeiten andererseits ehrenamtlich. Übrigens, meiner Erfahrung nach ist die Stillberatung meistens keine Kostenfrage für die Frauen. Sie sind froh, wenn sie für die Beratung zahlen können. Uns können sie nicht bezahlen und sind froh, wenn sie eine IBCLC haben, der sie Geld geben können.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren in der Stillförderung?
Wir sind sehr daran interessiert, dass wir gemeinsam mit ihnen Stillförderung betreiben. Die AFS und die LLL (La Leche Liga, die zweite ehrenamtliche Organisation in der Stillförderung) gehen aus meiner Sicht Hand in Hand. Wir arbeiten auch mit den Hebammen zusammen: Wir tauschen uns aus und unterstützen uns gegenseitig. Eine Hebamme ist viel früher und viel intensiver an der Mutter und am Kind dran als die Stillberaterin. Viele Frauen kommen zu uns oft, wenn die Hebamme keine Hausbesuche mehr macht. Manchmal möchten die Frauen die Hebamme nicht mehr anrufen, weil sie um ihre viele Arbeit wissen. Daher glaube ich, dass wir eine gute nachfolgende Hilfe darstellen. Die Still- und Laktationsberaterinnen sind natürlich eine andere Liga als wir. Wir können viel von ihnen lernen, aber umgekehrt ist es genauso.
Wie finanziert sich die AFS und wie können dankbare Mütter die Arbeit der Stillberaterinnen unterstützen?
Wir sind ein gemeinnütziger Verein und nehmen kein Geld für die Beratung. Für unsere Arbeit werden wir vom Ministerium für Gesundheit bezuschusst. Sollte eine Frau unbedingt etwas zahlen wollen, dann verweisen wir auf das Spendenkonto der AFS. Die Frauen können das spenden, was sie möchten.
Viele AFS-Stillberaterinnen sind selbstständig und haben kostenpflichtige Angebote für Mütter. Wie werden kostenpflichtige und ehrenamtliche Beratungen auseinandergehalten?
Das ist eine sehr gute Frage. Viele Frauen machen die Stillberatungsausbildung, um den Müttern ein zusätzliches Angebot machen zu können, was wir aber eingrenzen. Wenn während einer kostenpflichtigen Beratung Fragen zum Stillen aufkommen, dann muss die Beraterin sagen, dass diese Fragen nicht hier hineingehören, sondern in einer anschließenden kostenlosen Stillberatung besprochen werden können. Wir legen großen Wert darauf, dass hier keine Vermischung erfolgt und dass die ehrenamtliche Stillberatung von kostenpflichtigen Angeboten klar getrennt wird.
Das Interview wurde im Mai 2016 aufgenommen.
© Dr. Z. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. 2003-2022.