Das Baby von der Flasche an die Brust gewöhnen

Mutter stillt ihr Baby Haut an Hautin zurückgelehnten Position
Viel Zeit in direktem Haut-zu-Haut-Kontakt, Geduld und „Baby-led-Latching“ erhöhen die Chance auf eine erfolgreiche Rückführung an die Brust. (© Kati Molin)

Bis ein Baby die Brust verweigert, haben Mutter und Kind schon viel durchgemacht. Manchmal geben Frauen in dieser Situation erschöpft auf. Manchmal entscheiden sie sich, nach einem ersten Trauerprozess einen weiteren Anlauf zu starten, um ihr Baby an die Brust zu gewöhnen. Im folgenden Beitrag geht es darum, wie ein Baby, das an der Flasche gut trinkt, die Brust jedoch verweigert, an die Brust zurückgeführt werden kann.

Hat sich ein Baby an die Flasche gewöhnt, lehnt es die Brust mitunter ab. Solchen Situationen geht in aller Regel ein sehr schwieriger Stillstart voraus, bei dem die Milchbildung nur verzögert in Gang kam und/oder das Baby Schwierigkeiten hatte, an der Brust effektiv zu saugen. Schwierige Geburten, Kaiserschnitte, unreife Neugeborene, unzureichende Unterstützung im Wochenbett, Trennung von Mutter und Kind können neben weiteren Ursachen zu einer solchen Situation führen. Klappt das Stillen an der Brust in den ersten Tagen nicht, wird das Baby in vielen Kliniken mit der Saugflasche ernährt, aus der die Milch anders kommt als aus der Brust – und zwar bei den Saugern aller Hersteller, unabhängig von deren Werbebotschaften. Das Baby prägt sich auf die Flasche, aus der die Milch kommt, und kann das Saugmuster, welches für die Entleerung der mütterlichen Brust erforderlich ist, nicht ausüben (mehr zum Thema Saugverwirrung). Durch den schwierigen Stillstart und das Forcieren des Stillens verbindet das Baby Stress, Frustration und Angst mit der Brust. Es fängt mitunter schon an zu schreien, zu boxen und sich zu verkrampfen, sobald es in die Nähe der Brust gelegt wird.

Mitunter liegen anatomische Probleme vor (z.B. ein zu kurzes Zungenbändchen), eine muskuläre Hypo- oder Hypertonie, Verspannungen im Kopf-, Schulter-, Nackenbereich durch die Geburt, eine übermäßige Schläfrigkeit z.B. aufgrund einer Neugeborenengelbsucht oder Medikationen, oder bestimmte (vorübergehende) neurologische Schwierigkeiten. Besondere Brustwarzenformen können das Anlegen ebenfalls erschweren. Erfahrene Stillberaterinnen und Hebammen können durch eine gründliche Untersuchung die Ursachen des Problems oft identifizieren und Lösungswege finden. Mitunter kann die korrekte Positionierung bereits Wunder wirken.

Vielfach lösen sich die Ursachen für die ursprünglichen Saugprobleme im Laufe der Tage und Wochen auf, die Ablehnung der Brust seitens des Babys kann jedoch bestehen bleiben. Die folgenden Vorschläge gelten für grundsätzlich gesunde Mütter und Babys, bei denen ungünstige Startbedingungen zur Ablehnung der Brust führten und die Mutter durch regelmäßiges Entleeren der Brust (s. Aufbau und Aufrechterhaltung der Milchbildung bei Frühgeburt, Abpumpen und Aufbewahren von Muttermilch und Die Milchmenge stiegern: Wie man mehr Milch bilden kann) ihre Milchbildung aufbauen konnte, um ihr Baby ausschließlich oder teilweise mit Muttermilch ernähren zu können. Die folgenden Vorschläge können jedoch auch dann zum Einsatz kommen, wenn das Baby mit Säuglingsnahrung zugefüttert werden muss. Dann wird das Baby mithilfe alternativer Fütterungsmethoden an der Brust zugefüttert. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umgewöhnung ist, dass die Milch gut fließt und das Baby an der Brust auf diese Weise belohnt wird.

Grundsätzliche Hinweise

Für Mütter ist es extrem frustrierend, wenn ihr Baby ihre Brust nur noch anschreit. Viele Mütter empfinden in dieser Situation Frustration, Versagen, Zurückweisung, Im-Stich-Gelassen-Sein und Ärger, die Beziehung zum Baby kann ebenfalls belastet sein. Unzählige Mütter mussten solche negativen Erfahrungen schon durchmachen. Das Baby lehnt jedoch nicht seine Mutter ab. Ein Baby, das nicht stillt, KANN NICHT stillen, zumindest im Augenblick, aber es liebt seine Mutter und möchte von ihr geliebt werden.

Die Mutter braucht für die Rückführung des Babys an die Brust sehr viel Zuspruch, Geduld und Ausdauer und sollte auf einen steinigen Weg mit Rückschlägen vorbereitet sein. Grundsätzlich sind die Chancen bei einem jungen Säugling besser als bei älteren: In den ersten Wochen bis Monaten stehen die Chancen noch gut und nehmen mit der Zeit allmählich ab. Etwa um den vollendeten ersten Monat herum scheint es einen Wendepunkt zu geben, nach dem die Brustgewöhnung tendenziell schwieriger wird. Es ist aber nie zu spät, es zu versuchen. Wenn man sich darauf einstellt, dass der Rückführungsprozess mehrere Wochen dauern kann und es keinen Garantie auf Erfolg gibt, dann erspart man sich und auch dem Baby viel Stress.

Manchmal entscheiden sich Mütter gegen weitere Versuche, ihr Baby an die Brust zu gewöhnen, weil sie merken, dass die immer wiederkehrende Brustverweigerung sie emotional zu sehr belastet und die Bindung zu ihrem Baby darunter leidet. Sie stärken die Bindung auf andere Weise, wie z.B. durch Kuscheln, Tragen, nächtliches Zusammensein und bindungsfördernde Fütterung in Stillposition, bei der Mutter und Baby zueinander zugewandt sind und viel Augenkontakt haben. Manchmal nehmen Mütter einen weiteren Anlauf, um ihr Baby an die Brust zu gewöhnen. Niemand kann sagen, welche Entscheidung die richtige ist, jede Mutter und auch jedes Kind ist anders, hat einen anderen Hintergrund und befindet sich in einer anderen Situation.

Eine Grundregel bei der Brustgewöhnung ist, dass das Baby niemals zum Stillen gedrängt werden darf, d.h. Babys Köpfchen sollte niemals gegen die Brust gedrückt werden, sonst kann sich die Ablehnung der Brust verstärken. Das Baby soll letztlich selbst „entscheiden“ können, ob und wann es an die Brust zurückkehrt. Die Eltern „locken“ es an die Brust, üben aber keinen Zwang aus.

Desweiteren sollte das Baby gerade zufrieden und satt sein, wenn es an die Brust gewöhnt wird. Das Ziel ist nicht, dass es gleich aus der Brust trinkt, sondern zunächst, dass es die Nähe der nackten Brust erträgt, dass es langsam lernt sich dort wohl zu fühlen, irgendwann die Brustwarze in den Mund nimmt, dann ab und zu daran leckt oder nuckelt, dann öfter und länger daran nuckelt – zunächst um sich wohl zu fühlen (non-nutritives Saugen) und schließlich auch dann, wenn es hungrig ist, um zu trinken (nutritives Saugen).

Das Baby an die Nähe der Brust gewöhnen

nacktes Baby auf nackter Mama
Viel kuscheln auf nackter Haut (© macsim)

Lehnt das Baby die Brust der Mutter vehement ab, dann muss es ganz langsam wieder an die Nähe der Brust gewöhnt werden. Die Mutter kann sich hierzu z.B. viel „oben ohne“ in der Wohnung aufhalten (den Rücken und Schulter z.B. mit einem Jäckchen bedecken, aber ohne Hemd und BH bleiben) und mit dem Baby alle Aktionen (wickeln, umziehen, baden usw.) auf diese Weise ausführen. So lernt das Baby, dass von der Brust keine „Gefahr“ ausgeht.

Oft muss sich das Baby in einem nächsten Schritt daran gewöhnen, mit der Mutter in direktem Haut-zu-Haut-Kontakt zu sein. Viel Zeit in direktem Haut-zu-Haut-Kontakt mit dem Baby unterstützt die Milchbildung, stabilisiert das Baby und erhöht auch die Chance, dass das Baby die Brust annimmt:

  • Die Mutter kann mit ihrem Baby im Bett auf nackter Haut schmusen, sich mit dem Baby zusammen entspannen, baden und sich wohl fühlen.
  • Wenn die Mutter sich drinnen oder draußen aktiv bewegt, kann sie das Baby auf nackter Haut in ein Tuch oder eine Babytrage binden, sodass der direkte Hautkontakt aufrechterhalten wird. Babys Köpfchen ist idealerweise in der Nähe von Mamas nackter Brust.
  • Mutter und Kind können direkt nebeneinander schlafen und auch dabei viel Körperkontakt genießen. Stillende Mütter schlafen nachts oft ohne Brustbedeckung, weil die Brust ja immer wieder gebraucht wird und das „Aus- und Einpacken“ die Mütter nur unnötig aus dem Schlaf reißen würde. Dies kann auch bei der Brustgewöhnung praktiziert werden.

Die Fokussierung auf die Brust fördern

Das Baby wird direkt an der nackten Brust gefüttert.
Wenn das Baby immer neben der nackten Brust gefüttert wird, lernt es die Milch mit der Brust zu assoziieren. Idealerweise wird das Baby nicht mit der Flasche, sondern z.B. einem Becher zugefüttert. (© Kirill Ryzhov)

Das Baby könnte in einem nächsten Schritt lernen, dass Milch und Brust zusammenhängen. Die Mutter kann das Baby beim Füttern immer an die nackte Brust nehmen. Sie kann, als würde sie stillen, ihre Bluse und ihren Still-BH öffnen und das Baby in einer Stillposition direkt neben der nackten Brust füttern. Das Baby assoziiert die Stillposition, die warme, weiche Haut der Mutter und den angenehmen Duft der Brustwarzen, der speziell für das Baby in den Montgomery-Drüsen am Brustwarzenhof gebildet wird, mit der süßen Milch.

Falls das Baby mit einer Saugflasche gefüttert wird, sollten noch weitere Hinweise beachtet werden, damit die Rückführung an die Brust gefördert wird. Die Mutter sollte das Baby dazu animieren, den Mund vor dem Trinken immer weit zu öffnen, z.B. indem sie Babys Lippen von der Nase zum Kinn mit dem Sauger streichelt. Wenn das Baby den Mund weit öffnet, wie zum Gähnen, dann kann es an die Flasche andocken. Dies lehrt das Baby, dass es vor dem Trinken den Mund immer weit öffnen muss, was das spätere Andocken an der Brust sehr erleichtert. Unter den Saugflaschen sind Weithalsflaschen mit möglichst rundem, weichem Sauger und einer breiten Lippenauflage und kleiner Öffnung zu bevorzugen (für mehr Hinweise siehe den Abschnitt Stillfreundliche Flaschenfütterung).

Wie das Baby die Brustwarze in den Mund nimmt

Baby schläft direkt neben der nackten Brustwarze
Wenn das Baby genügend Gelegenheiten erhält, wird es irgendwann vielleicht spontan andocken. (© Aleksey Mnogosmyslov)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Baby an die Brust zu bekommen. Verbringt das Baby viel Zeit in direktem Hautkontakt mit der Mutter (z.B. im Bett, beim Baden oder im Tuch), nimmt es die Brustwarze vielleicht ganz nebenbei irgendwann spontan in den Mund: Wenn es gerade satt und zufrieden ist und nur ein bisschen nuckeln möchte. Wichtig ist, dass auch die Mutter sich dabei entspannen kann und keinen Druck auf sich und das Baby ausübt. Sie soll dem Baby lediglich die Gelegenheit durch Nähe und Hautkontakt bieten und die Sache nicht forcieren. Es liegt am Baby, die Gelegenheit zu nutzen – oder auch nicht. Viele Babys interessieren sich für die Brust erst, wenn sie durch Milch belohnt werden, andere nuckeln an der Brust, auch wenn sie keine oder nur wenig Milch bekommen.

In Indien wurde zur Heranführung des Babys an die Brust die sogenannte „Drop and Drip“-Methode entwickelt. Hier tropft man Milch über die Brust der Mutter und lässt diese über die Brustwarze laufen. Hierzu kann man eine Pipette, eine kleine Spritze oder einen Fingerfeeder benutzen. Das Baby riecht die leckere Milch und leckt sie auf. Auf diese Weise entsteht ein Zungenkontakt und wiederum die Assoziation zwischen Brustwarze und Milch. Die „Drop and Drip“-Methode kann man z.B. ausführen, wenn Mutter und Baby zusammen baden oder gerade im Bett Haut an Haut kuscheln, am besten in der zurückgelehnten Stillposition (siehe Laid-Back-Nursing), mit Babys Kopf in direkter Nähe zur Brustwarze. In dieser Position kann sich das Baby zur Brustwarze bewegen und daran lecken. Mit etwas Glück fängt es an, die Brustwarze in den Mund zu nehmen und daran zu saugen. Man kann das jeden Tag, ggf. auch mehrfach wiederholen. Mulltücher fangen die Milch auf, die nicht vom Baby aufgeleckt werden.

Mutter drückt auf ihre Brustwarze, um etwas Milch auszudrücken und das Baby anzulocken.
Milch direkt unter der Nase des Babys oder in seinen Mund animiert es zum Trinken (© Kindestmilk).

Mütter, die ausreichend Milch bilden, können auch einfach etwas Milch ausdrücken. Das Baby leckt die Milch auf.

Die Bereitschaft des Babys, an der Brust zu saugen, kann erhöht werden, indem andere Saugmöglichkeiten, vor allem der Schnuller und das Fläschchen, nicht angeboten werden (sog. „Saugdeprivation“).

=> Der Schnuller sollte möglichst weitgehend eingeschränkt und am besten komplett weggelassen werden.

Wenn das Baby sein Saugbedürfnis am Schnuller stillen kann, wird es weniger Interesse an der Brust haben. Durch das Weglassen des Schnullers wird das Baby eher bereit sein, an der Brust zu saugen. Zur Beruhigung des Babys und als Begleitung zum Einschlafen eignet sich die Brust hervorragend.

Auch nachts kann die Mutter als erstes die Brust zum Nuckeln anbieten, sobald das Baby unruhig wird. Wenn das Baby noch nicht ganz wach ist, akzeptiert es die Brust eher.

In dieser Phase sollte die Brust nicht zur Ernährung angeboten werden, sondern nach dem Trinken, zur Beruhigung, zum Einschlafen oder zum Aufwachen, bzw. die Mutter kann dafür sorgen, dass das Baby Milch bekommt, wenn es an der Brust saugt (s. unten). Ein hungriges Baby gerät schnell in Aufruhr und verbindet die Brust wieder nur mit Frustration.

=> Falls möglich, sollte auch auf die Saugflasche verzichtet werden. Erhält das Baby die Milch aus einem Becher, dann kann es sein Saugbedürfnis nicht mehr bei der Fütterung befriedigen. Seine Bereitschaft, an der Brust zu saugen, steigt.

Baby trinkt aus Trinkbecher (Alternative Fütterung)
Das Baby schleckt die Milch aus dem Becher heraus.  Zufütterung ohne künstliche Sauger erleichtert die Umgewöhnung auf die Brust. (Foto: © Thea Juppe-Schütz)

Verschiedenen Studien zufolge ist die Chance, dass ein Baby an die Brust gewöhnt werden kann, deutlich erhöht, wenn es keine Saugflaschen und Schnuller bekommt. Denn das Trinken aus der Flasche ist ganz anders als an der Brust. Bei der Flasche wird die Zunge im Mund zurückgezogen, beim Stillen und auch bei der Becherfütterung jedoch nach vorne gestreckt. Außerdem bietet die Brustwarze keinen so starken Saugstimulus wie ein Flaschensauger, sodass manche Babys mit der Brustwarze nichts mehr anfangen können (s. auch Entstehung von Saugverwirrung).

Bei einem Baby, das bereits die Flasche gewöhnt ist, kann die Umstellung auf den Becher eine Herausforderung sein. Die Umstellung kann mehrere Tage in Anspruch nehmen. Ist das Baby bereits ausgehungert, kann es auf die gewohnte Weise mit der Flasche gefüttert werden. Ein „halbhungriges“ Baby kann dann mit dem Becher gefüttert werden. Viele Eltern hadern mit der Becherfütterung.  Sie erscheint ihnen zu langsam und es geht viel Milch daneben. Sie können mit der Löffelfütterung anfangen, da erlebt man aufgrund der kleineren Mengen, die schneller ausgeschlürft sind, eher einen Erfolg. Das Verschütten lässt sich verringern, aber nicht ganz vermeiden (s. den Abschnitt zur Becherfütterung).

Der Entzug der gewohnten Saugmöglichkeit an Flasche und Schnuller ist nicht schön fürs Baby, es wird wahrscheinlich vermehrt weinen und vielleicht Mühe haben, einzuschlafen. Doch, es wird die Brust mit der Zeit besser akzeptieren und effektiver dran trinken können.

Ans Stillen gewöhnen

Für die Rückführung des Babys an die Brust ist es sehr hilfreich, wenn die Mutter lernt, ihre Brust auch mit der Hand zu entleeren. Die Handentleerung kann einerseits die Milchbildung steigern (siehe Hands-on-Pumping), und andererseits kann die Mutter ihre Milch auch direkt zum Mund des Babys ausdrücken und somit das Interesse des Babys wecken.

Handgewinnung Schritt 1
Vor dem Anlegen kann mithilfe einer Brustmassage der Milchfluss in Gang gesetzt werden, damit das Baby gleich belohnt wird. (Foto: © Thea Juppe-Schütz)

Auch Milchtropfen an der Brustwarze animieren das Baby zum Andocken. So kann das Baby, wie bei der „Drop-and-Drip-Methode“ die Milch ablecken. Außerdem kennen es Babys, die mit der Flasche gefüttert wurden, mitunter gar nicht mehr, dass sie zu Beginn erstmal ansaugen müssen, damit der Milchfluss angeregt wird. Bei der Flasche läuft die Milch sofort, ohne dass das Baby etwas dafür tun müsste. Wenn das Baby an der Brust trinken will und nicht sofort etwas kommt, ist es frustriert. Wenn die Mutter den Milchspendereflex vor dem Ansetzen des Babys mithilfe einer sanften Brustmassage auslöst, läuft die Milch sofort, das Baby wird gleich belohnt.

Eine Sonde ist an die Brust geklebt, Spritze mit Milch gefüllt.
Zufütterung an der Brust mittels Ernährungssonde und Spritze (Foto: © Thea Juppe-Schütz)

Wenn die Mutter aus der Brust keine Milch gewinnen kann oder wenn sie keine volle Milchproduktion hat, dann kann sie direkt an der Brust zufüttern, z.B. mit dem so genannten „Fingerfeeder“, einer Spritze mit gebogener Spitze, einer Sonde oder einem Brusternährungsset: Dann träufelt sie zunächst Milch über die Brust und sobald das Baby anfängt an der Brust zu saugen, füttert sie es mit dem Fingerfeeder über dem Mundwinkel oder direkt über die Schläuche der Sonde / des Brusternährungssets zu. Wenn die Milch aus den Schläuchen fließt, fängt das Baby an, an der Brust richtig zu saugen.

Zufütterung an der Brust mit Spritze und weichem Silikonaufsatz (Fingerfeeder)
Mithilfe einer Spritze mit spitzem Silikonaufsatz („Fingerfeeder“) kann etwas Milch über die Brustwarze geträufelt werden. Zur Belohnung kann das Baby Milch über den Mundwinkel bekommen (© still-lexikon.de).

Selbst bei voller Milchbildung kann es hilfreich sein, vorübergehend an der Brust zuzufüttern, weil die Milch zunächst auch ohne Sauganstrengung kommt. Saugverwirrte Babys sind zunächst nicht in der Lage, aus der Brust die Milch effektiv auszumelken, selbst wenn die Mutter ausreichend Milch bildet. Durch Zufütterung an der Brust verbessert sich das Saugverhalten des Babys. Außerdem kann dann die Mutter das Abpumpen reduzieren, weil das Baby einen Teil der Milch beim Saugen direkt aus der Brust erhält und die Milchbildung stimuliert.

Das korrekte Anlegen (das Baby soll den Mund groß aufmachen, um die Brustwarze und den Warzenhof tief erfassen zu können) ist natürlich auch hier das A und O, um das effektive Saugen zu ermöglichen und wunde Brustwarzen zu vermeiden. Idealerweise wird das Anlegen von einer Hebamme oder Stillberaterin überprüft und korrigiert. Gleichzeitig verbessert der Milchfluss aus dem Schlauch des Brusternährungssets / der Sonde automatisch das Saugverhalten des Babys, es dockt besser an.

Manche Babys lassen sich mit Stillhütchen an die Brust locken. Denn das Stillhütchen erinnert an die Plastiksauger. Man kann die Stillhütchen mit Milch befüllen, und auch auf diese Weise das Andocken schmackhaft machen, denn da läuft die Milch gleich beim ersten Ansaugen. Das Stillhütchen lässt sich gut mit dem Brusternährungsset oder einer Ernährungssonde kombinieren. Die Anwendung des Stillhütchens ist aufgrund seiner zahlreichen Nachteile ein zweischneidiges Schwert (siehe auch den Artikel Stillhütchen – ein Stillhilfsmittel mit bedingtem Nutzen). Manche Stillberaterinnen vertreten die Ansicht, dass die Abgewöhnung vom Stillhütchen noch schwieriger ist als die von der Flasche. Auf der anderen Seite kann das mühsame Abpumpen reduziert werden, wenn das Baby direkt aus der Brust trinkt, auch mit Hütchen, und: Das Baby ist an der Brust!

Brusternährungsset und Stillhütchen mit tropfender Milch
Hier tropft die Milch regelrecht in den Mund des Babys. Das Stillhütchen wird mit Milch befüllt und die Milch über das Brusternährungsset / Sonde mit Spritze laufen gelassen (© still-lexikon.de).

Es lohnt sich eine Reihe verschiedener und auch ungewöhnlicher Stillpositionen auszuprobieren, bis das Baby die Brust in einer der Positionen annimmt. Denn oft verbindet das Baby bestimmte Stillpositionen mit Frustration. Viel Geduld und Ausdauer ist gefragt. Wenn das Anlegen nicht klappt, kann es eine Viertel- oder halbe Stunde, einen halben Tag später oder am nächsten Tag / nächste Woche wieder versucht werden.

Um ein aufgebrachtes Baby zu beruhigen, kann die Mutter während des Anlegens auf einem Gymnastikball oder in einem Schaukelstuhl sitzen und sich rhythmisch bewegen. Vor allem senkrechtes Wippen soll beruhigend wirken. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn vor allem in der ersten Zeit eine zweite Person assistiert, um Frustration des Baby zu vermeiden.

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Babys, die mit der Flasche gefüttert wurden, verlernen manchmal das korrekte Saugen an der Brust und können nicht effektiv an der Brust trinken, selbst wenn die Mutter ausreichend Milch bildet. Durch das konsequente Weglassen von künstlichen Saugern (Saugflaschen und Schnuller – inklusive der so genannten „Muttermilchsauger“) und durch die Zufütterung an der Brust mithilfe von Sonden oder einem Brusternährungsset erlernen viele Babys das korrekte Saugen an der Brust neu. Vor allem junge Babys sind meistens noch in der Lage, das korrekte Saugmuster an der Brust zu erlernen, also in den ersten Wochen bis Monaten. Mit der Zeit sinkt die Fähigkeit der Babys, effektiv an der Brust saugen zu lernen, aber auch Kleinkinder konnten schon wieder an die Brust gewöhnt werden. Wenn das Baby noch nicht in der Lage ist, die Milch effektiv aus der Brust zu melken, dann kann selbst bei vorhandener Milchbildung an der Brust mithilfe eines Brusternährungssets oder eine Sonde zugefüttert werden. Die Milch soll dann zunächst ohne Anstrengung fließen. Mit der Zeit kann der Milchfluss aus dem Schlauch verringert werden, damit das Baby intensiver saugt.

Für Babys, die nicht in Stillposition gebracht werden und mit den bisherigen Methoden nicht an die Brust gewöhnt werden können, hat Márta Guóth-Gumberger eine Methode entwickelt, bei der der vom Baby gewohnte Flaschensauger über die Brustwarze geklebt wird. Der Schlauch des Brusternährungssets wird dabei durch das Saugerloch gefädelt. Um Frustration zu vermeiden, ist die normale Flasche immer parat. Sobald das Baby mit dieser Methode zurechtkommt, wird der Sauger verkleinert. Eine ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung ist direkt im Shop von Márta Guóth-Gumberger erhältlich (bitte weit herunterscrollen).

Solange das Baby noch nicht effektiv an der Brust saugt, muss zur Aufrechterhaltung der Milchbildung die Brust zusätzlich (z.B. nach jedem Stillen oder so oft möglich und umsetzbar) manuell oder per Pumpe entleert werden (siehe auch Abpumpen und Aufbewahren von Muttermilch und Die Milchmenge stiegern: Wie man mehr Milch bilden kann). Wird das Baby an der Brust zugefüttert und saugt das Baby effektiv, kann das zusätzliche Pumpen weggelassen oder reduziert werden. Die Milchbildung wird ausreichend durch das Baby stimuliert.

Die Häufigkeit der Mahlzeiten

Mütter, die bislang die Flasche gegeben haben, sind manchmal daran gewöhnt, dass das Baby relativ selten (z.B. 4- bis 7-mal in 24 Stunden) und dann jeweils viel auf einmal trinkt. Viele gestillte Babys trinken aber ganz häufig, z.B. alle 1–3 Stunden im Schnitt (vom Beginn einer Mahlzeit bis zum Beginn der nächsten, insgesamt 8- bis 16-mal in 24 Stunden) und häufig auch alle 10 Minuten, und sie trinken oft nur relativ geringe Mengen auf einmal. Das so genannte Cluster-Stillen, bei dem das Baby zu bestimmten Tageszeiten (vor allem abends) Stunden lang immer wieder an der Brust trinkt, ist unter gestillten Säuglingen weit verbreitet.

=> Ein häufiges Trinkmuster kann sowohl für die Milchbildung als auch für die Rückführung des Babys an die Brust hilfreich sein.

Es ist einfacher, das Baby an die Brust zu gewöhnen, wenn es häufig an der Brust ist und möglichst viel Zeit direkten, ungehinderten Zugang zur Brust hat. Um das häufige Stillen zu fördern, empfiehlt es sich, dem Baby pro Mahlzeit weniger Säuglings- oder Muttermilch aus der Flasche / dem Becher zu geben und gleichzeitig aber auch nicht zu warten, bis es ausgehungert ist, sondern es bei den ersten Hungerzeichen zu füttern. Abgepumpte Muttermilch kann bei Raumtemperatur 4–8 Stunden lang gelagert werden (siehe Haltbarkeit von Muttermilch). Auch angerührte Säuglingsmilch kann bei Raumtemperatur in der Regel 2–3 Stunden aufbewahrt werden. Sowohl Mutter- als auch industrielle Säuglingsmilch können bei Raumtemperatur gefüttert werden. Dies vereinfacht den Alltag der Eltern erheblich.

Bekommt mein Baby genug Milch an der Brust?

Bei der Umgewöhnung des Babys von der Flasche an die Brust stellt sich für die Mutter die Herausforderung, dass sie beim Stillen – im Gegensatz zur Flasche – nicht abschätzen kann, wieviel das Baby trinkt und ob das reicht. Es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen, die für diese Einschätzung herangezogen werden können:

  • Ist das Baby gut an der Brust angelegt (Brustgewebe tief erfasst, Lippen nach außen gestülpt)? (siehe Bildergalerie zum guten Anlegen)
  • Saugt das Baby am Anfang schnell und nach wenigen Sekunden langsam (weil die Milch fließt und zwischendurch geschluckt werden muss)?
  • Kann man ggf. Schlucken beobachten oder hören? Man kann auf alle Fälle die tiefen Kieferbewegungen beobachten, die mit dem Füllen des Mundes mit Milch und dem Schlucken zusammenhängen. Tiefe Kieferbewegungen etwa einmal pro Sekunde deuten darauf hin, dass das Baby gut Milch bekommt.
  • Spürt die Mutter den Milchspendereflex? (siehe Anzeichen für das effektive Saugen)

Mit einer sehr präzisen, hochwertigen Babywaage kann man das Baby vor und nach einer Stillmahlzeit wiegen. Der Unterschied ist die verzehrte Milchmenge. Eine Mahlzeit ist dabei nicht aussagekräftig. Es sollte bei mehreren Mahlzeiten gewogen werden, um eine Einschätzung treffen zu können.

Eine andere Methode ist das Wiegen der Windeln über 24 Stunden. Hier werden alle Windeln über 24 Stunden in einer verschlossenen Plastiktüte gesammelt und gewogen. Das Gewicht der leeren Windeln gleicher Anzahl wird abgezogen. Das Gewicht aller Ausscheidungen ist geringer als die verzehrte Milchmenge, sollte nach der Umgewöhnung von der Flasche an die Brust aber etwa gleich bleiben.

Ebenfalls aussagekräftig ist das Führen eines Ausscheidungsprotokolls (siehe z.B. unsere Vorlage). Auch die Anzahl und Menge der Ausscheidungen sollte während der Umgewöhnung gleich bleiben.

Darüber hinaus sollte das Gewicht des Babys regelmäßig bestimmt und in die WHO-Wachstumskurven eingetragen werden (siehe unsere Vorlagen). Nimmt das Baby perzentilenparallel zu, ist es mit Muttermilch gut versorgt (mehr Infos hierzu im Abschnitt Bekommt mein Baby genug Muttermilch?). Hebammen und Stillberaterinnen können hier begleiten.

Unterstützung ist wichtig!

Idealerweise wird die Mutter im Haushalt und von der Betreuung von Geschwisterkindern entlastet und mit allem versorgt, was sie braucht, damit sie viel Zeit mit ihrem Baby verbringen und sich entspannen kann. Meist muss sie ohnehin bereits viele Stunden am Tag Milch gewinnen, um ihre Milchbildung zu steigern oder aufrechtzuerhalten. Es gibt viele Stillberaterinnen, die die Mutter bei der Rückführung des Babys an die Brust Schritt für Schritt unterstützen können, sie bei der Aufrechterhaltung der Milchbildung begleiten und die Anwendung von Stillhilfsmitteln zeigen, falls diese erforderlich werden. In einer Stillgruppe kann sich die Mutter mit anderen Müttern austauschen, Rat, Rückhalt und Ermutigung einholen. Besonders wichtig ist auch der Zuspruch und die emotionale Unterstützung durch die Angehörigen.

Quellen:

  • Australian Breastfeeding Society: Relaktation. https://www.breastfeeding.asn.au/bfinfo/relactation-and-adoptive-breastfeeding
  • Bonyata K: Help — My Baby Won’t Nurse! http://kellymom.com/ages/newborn/nb-challenges/back-to-breast/
  • Guóth-Gumberger M: Brusternährungsset: Frust oder Durchbruch? Workshop des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation, Oktober 2019.
  • Wambach K, Riordan J: The infant who has not latched on. In: Breastfeeding and human lactation. Jones & Bartlett Learning, S. 240 ff. 2016, 5. Aufl.
  • Walker M: Reluctant nurser. In: Breastfeeding management for the clinician. Using the evidence. Jones & Bartlett Learning, S. 287 ff. 2014, 3. Aufl.
  • Walker M: Previous or concurrent use of artificial nipples and pacifiers. In: Breastfeeding management for the clinician. Using the evidence. Jones & Bartlett Learning, S. 273 ff. 2014, 3. Aufl.
  • Wiessinger D, West D, Pitman T, La Leche League International: None of this is working! My baby isn´t latching! In: The womanly art of breastfeeding. 2010, 8. Aufl., S. 76 ff.

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© Dr. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. Text, Bilder, Videos sind urheberrechtlich geschützt. Letzte Aktualisierung: Mai 2022

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