Nicht immer reicht die aktuelle Milchbildung einer Mutter aus, um ihr Baby vollstillen zu können. Dies kann ganz unterschiedliche Gründe haben, wie eine Brustoperation, bestimmte chronische Erkrankungen, Komplikationen während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett, oder eine unzureichende Bruststimulation gleich am Anfang der Stillzeit oder zu einem späteren Zeitpunkt (s. Zu wenig Milch). Oft lässt sich die Milchmenge steigern und ausschließliches Stillen im Laufe der Zeit erreichen, manchmal wird eine Zufütterung langfristig erforderlich.
Unabhängig davon, was die primäre Ursache für die eingeschränkte Milchbildung ist: Teilstillen ist um ein Vielfaches komplexer als das ausschließliche Stillen oder die ausschließliche Flaschenfütterung. Es müssen zwei Systeme miteinander kombiniert werden, die nach ganz unterschiedlichen Regeln funktionieren und sich gegenseitig beeinflussen. Je nachdem, wie die Zufütterung gehandhabt wird, entsteht eine Abstillspirale oder das Stillen lässt sich aufrechterhalten oder gar weiter ausbauen.
Inhaltsübersicht:
- Wann Zufütterung erforderlich werden kann
- Wahl der Zufütterungsmethode
- Die Zufütterungsmenge einschätzen: Nicht zu viel und nicht zu wenig
- Stillen und die Milchbildung maximieren
- Wenn das Baby die Brust nur mit Zufütterschlauch akzeptiert
- Zusätzlich pumpen?
- Unterschiedliche Milchmengen vormittags und abends
- Der Wert des Teilstillens
Wann Zufütterung erforderlich werden kann
In aller Regel zeigt es sich in den ersten Tagen bis Wochen, wenn die aktuelle Milchbildung der Mutter den aktuellen Milchbedarf des Babys nicht deckt: Die Ausscheidungen des Neugeborenen verspäten sich oder sind zu spärlich, das Neugeborene verliert zu viel an Gewicht, also mehr als 10% des Geburtsgewichts, und nimmt anschließend nicht perzentilenparallel zu (s. Bekommt mein Baby genug Muttermilch?). Wenn die Optimierung des Stillmanagements und die Zufütterung von gewonnener Muttermilch nicht ausreichen, damit das Baby perzentilenparallel zunimmt (s. Stillschwierigkeiten im Frühwochenbett), werden das Personal der Wochenstation, die Nachsorgehebamme, die Kinderärztin oder die Stillberaterin der Mutter empfehlen, industriellen Muttermilchersatz zuzufüttern. Oft kann die Milchbildung der Mutter während der Zufütterung gesteigert werden, sodass die Zufüttermengen allmählich abnehmen und das Vollstillen mit der Zeit erreicht wird. In ungünstigen Fällen nimmt aber stattdessen die Zufüttermenge zu, das Stillen gestaltet sich für Mutter und Kind zunehmend frustrierender, sodass dieses schließlich ganz aufgegeben wird. Diesem ungünstigen Verlauf gilt es vorzubeugen.
Viele Mütter schaffen nach einem ungünstigen Stillbeginn mit verzögertem Milcheinschuss und vorübergehender Zufütterung das Vollstillen. Manchmal kann überwiegendes Stillen erreicht werden, sodass das Baby nur wenige Male am Tag zugefüttert werden muss.
Manchmal schlittern Frauen nach einer Phase des erfolgreichen Vollstillens ins Teilstillen, weil die Milchbildung unbeabsichtigt zurückgeht, z.B. weil nicht häufig genug gestillt wird oder das Baby eine gewisse Saugschwäche hat oder schläfrig ist und die Milchbildung der Mutter nicht ausreichend anregt. Auch dann kann es mitunter erforderlich sein (vorübergehend) zuzufüttern.
Wahl der Zufütterungsmethode
Muss ein Baby zugefüttert werden, bekommt es häufig die Flasche. Viele Fachpersonen und Eltern kennen keine andere Methode der Zufütterung. In der Tat ist die Flasche ein hocheffektives Instrument, ein Baby zu füttern, auch bei Babys, die an der Brust nicht effektiv trinken können. Der relativ steife Sauger der Flasche löst beim Baby als „Supersaugstimulus“ den Saugreflex aus – selbst, wenn es eigentlich gar keinen Hunger (mehr) hat. Anschließend muss das Baby nur schlucken, die Milch läuft von allein in seinen Mund. Die Handhabung der Flasche ist für die Erwachsenen vergleichsweise einfach, die Fütterung ist schnell erledigt. Und sie kann von jeder Person übernommen werden, auch wenn die Mutter nicht zur Verfügung steht.
Das Problem mit der Flasche ist jedoch, dass sie oft zu einer Abstillspirale führt. Das Risiko einer Saugverwirrung und somit Brustverweigerung ist bei der Flaschenfütterung hoch, insbesondere, wenn das Stillen noch nicht etabliert ist und die Milchmenge der Mutter vergleichsweise gering ist, bzw. wenn das Baby an der Brust nicht viel Milch bekommt, aus welchen Gründen auch immer (schlechter Milchtransfer). Entwickelt das Baby eine Brustverweigerung, ist der Weg zurück zur Brust beschwerlich und manchmal nicht mehr möglich. Zudem neigen Babys dazu, aus der Flasche mehr zu trinken als sie wirklich brauchen, was zum weiteren Rückgang der Milchbildung führt, da das Baby an der Brust keinen Appetit mehr hat.
Damit die Milchbildung aufrechterhalten und idealerweise sogar gesteigert werden kann, empfiehlt es sich, alternative Zufütterungsmethoden anzuwenden. Idealerweise werden alternative Methoden zügig eingeführt, sobald klar wird, dass das Baby Zufütterung braucht. Ältere Babys nehmen die alternativen Methoden nicht mehr immer an.
Die erste Wahl ist die Zufütterung an der Brust mithilfe einer Spritze, des Brusternährungssets oder einer Nahrungssonde. Durch Zufütterung an der Brust wird eine Brustverweigerung vermieden oder sogar behoben, das Saugbedürfnis des Babys wird an der Brust befriedigt und gleichzeitig wird die Milchbildung der Mutter stimuliert.
Die zweite Wahl ist die Becherfütterung: Hier wird während der Fütterung die Milchbildung zwar nicht stimuliert, aber die Saugverwirrung wird auch hier vermieden. Bei einer Becherfütterung sättigt das Baby sein Saugbedürfnis durch sehr häufiges Stillen an der Brust und hilft auf diese Weise, die Milchbildung zu stimulieren.
Die Anwendung alternativer Fütterungsmethoden ist zunächst etwas aufwendiger als die Flaschenfütterung: Sie braucht eine Anleitung, etwas Erfahrung, Geduld und vorübergehend auch Assistenz („eine dritte Hand“). Vielen Frauen fehlt neben ihrem kleinen Baby oft die Zeit („Der Tag hat nur 24 Stunden“) sowie die praktische und moralische Unterstützung durch Fachpersonen und Familienangehörige („Gib doch endlich die Flasche!“). Doch, falls umsetzbar, lohnt sich die Umstellung auf alternative Fütterungstechniken, um das weitere Stillen zu fördern und zu schützen. Nach etwa 1–2 Wochen Dranbleiben und Weiterprobieren ist die alternative Zufütterung meist etabliert. Bei manchen Babys klappt die Zufütterung an der Brust auf Anhieb ohne größere Probleme, besonders wenn früh, noch im Laufe der ersten Woche damit begonnen wird. Auch, wenn das Baby noch keine Flasche kennt, klappt die Zufütterung an der Brust einfacher.
Falls die Mutter sich entscheidet, bei der Flasche zu bleiben oder das Baby alternative Methoden nicht mehr annimmt, dann kann sie durch die Auswahl einer relativ „stillfreundlichen“ Flasche und einer babygerechten, achtsamen Fütterungsweise das Risiko der Abstillspirale etwas verringern. Weithalsflaschen mit weichem Silikonsauger und einem kleinen Saugerloch (Größe S) gelten als am ehesten geeignet, wenn gestillte Kinder mit der Flasche zugefüttert werden sollen. Eine babygerechte, achtsame Flaschenfütterung (s. unten), hilft eine Überfütterung zu vermeiden und fördert stillgerechtes Trinkverhalten.
Viele Babys, die mit der Flasche zugefüttert werden, verweigern mit der Zeit die Brust. Manche schon mit 3 Wochen, andere mit 3 oder 4 Monaten. Es lässt sich nicht vorhersagen, welches Kind und in welchem Alter die Brust verweigern wird. Mutmaßlich wirkt es einer möglichen Brustverweigerung auch entgegen, wenn das Baby vor und nach der Flaschenfütterung, zum Einschlafen, nachts und zur Beruhigung die Brust bekommt und wenn es keinen Schnuller bekommt.
Übrigens, die verschiedenen Zufütterungsmethoden können auch kombiniert werden: Die Mutter füttert so oft wie möglich mithilfe alternativer Methoden zu und nimmt die Flasche, wenn die alternativen Methoden gerade unpassend sind. Manchen Frauen ist es z.B. zu unangenehm, in der Öffentlichkeit oder in Gesellschaft an der Brust zuzufüttern.
Die Zufütterungsmenge einschätzen: nicht zu viel und nicht zu wenig
Vollstillende Mütter können sich auf ihre Intuition verlassen und ihr Baby nach Bedarf anlegen. Wenn aber zugefüttert werden muss, stellt sich die Frage, wie viel. Füttert man zu wenig zu, wird das Baby unterernährt und nimmt nicht altersgerecht zu. Füttert man zu viel, trinkt das Baby weniger an der Brust und die Milchbildung der Mutter geht zurück. Kein Wunder, dass teilstillende Mütter oft unsicher über die richtige Zufüttermenge sind.
Die Einschätzung der Zufüttermenge lässt sich nicht unabhängig von der Zufüttermethode betrachten. Füttert die Mutter an der Brust zu, sodass ihr Baby für die Milch aktiv saugen muss, kann sie davon ausgehen, dass ihr Baby die Milch übrig lässt, wenn es keinen Hunger mehr hat. Das heißt, das Baby kann „ad libitum“ zugefüttert werden, das heißt, so viel es trinken möchte. Die Milchbildung der Mutter wird aufrechterhalten oder gar gesteigert, wenn vor und während der Zufütterung gestillt und die Brust dabei gut entleert wird.
Auch bei der Becherfütterung kann man sich darauf verlassen, dass sich das Baby nicht länger anstrengt, sobald es gesättigt ist.
Die Zufütterung mit der Flasche ist jedoch eine heikle Sache. Hier besteht die Gefahr der Überfütterung. Um eine Überfütterung zu vermeiden, empfiehlt es sich, die so genannte Paced Bottle Feeding anzuwenden (Babygerechte, achtsame Flaschenfütterung). Hier wird der Flaschensauger erst in den Mund des Babys gelegt, wenn es Interesse signalisiert und den Mund weit aufmacht. Das Baby wird möglichst aufrecht, die Flasche möglichst waagerecht gehalten, damit das Baby aktiv saugen muss. Es wird langsam, mit vielen Pausen gefüttert. Das Baby braucht die Flasche nicht auszutrinken und sollte auch nicht mit einer abgestützten Flasche im Mund alleingelassen werden, u.a. da dies die Überfütterung begünstigt.
Übrigens, kleine Flaschen mit Volumina < 170 ml beugen im Vergleich zu größeren Flaschen einer Überfütterung vor. Kleinere Portionen unterstützen das Stillen außerdem besser als große Portionen, weil sich das Baby dann öfter meldet.
Wiegeproben – also das Wiegen des Babys vor und nach dem Stillen, um die getrunkene Milchmenge festzustellen – können der Fachkraft bei der ersten groben Einordnung der benötigten Zufüttermenge helfen. Längerfristig ist Wiegen vor und nach dem Stillen zu aufwendig und störend.
Langfristig bieten die WHO-Wachstumskurven die beste Orientierung, um sicherzustellen, dass das Baby ausreichend Nahrung bekommt (für Mädchen, für Jungen, Ausfüllhilfe). Hierzu ist regelmäßiges Wiegen des Babys auf einer Säuglingswaage erforderlich. Bei teilgestillten Babys ist es empfehlenswert, das Wiegen in regelmäßigen Abständen langfristig fortzuführen: Bis das Baby sein Geburtsgewicht erreicht, täglich, anschließend z.B. zweimal die Woche und allmählich immer seltener. Nimmt das Baby anhand seiner Perzentile zu, wird es perfekt versorgt. Verläuft seine Gewichtskurve weniger steil als die WHO-Wachstumskurve, braucht das Baby mehr Nahrung (s. auch Bekommt mein Baby genug Muttermilch?). Nach reichlicherem Nahrungsangebot zeigen Babys öfter ein Aufholwachstum, bevor sie perzentilenparallel weiterwachsen. Andere wachsen ohne Aufholwachstum auf einer niedrigeren Perzentile weiter. Auch das ist meist vollkommen ausreichend und zeigt ein ausreichendes Nahrungsangebot an. Hebammen und Stillberaterinnen können bei der Interpretation der Wachstumskurve helfen (s. auch das Fachbuch von Márta Guóth-Gumberger dazu oder den Artikel „Wie zufüttern, um das Stillen zu schützen?“).
Stillen und die Milchbildung maximieren
Während die Fütterung von industrieller Säuglingsmilch nur zur Sättigung des Hungers dient, ist Stillen auch Nahrung für die Seele. Stillen ist hilfreich zur Beruhigung, zur Förderung des Wohlbefindens, zum Einschlafen und Weiterschlafen. Die Verwendung eines Schnullers würde die Zeit an der Brust und somit die Milchbildung reduzieren, auch das Saugen an der Brust kann durch einen Schnuller beeinträchtigt werden. Sehr viel Körper- und Hautkontakt zwischen Mutter und Baby mit sehr häufigem intuitiven Stillen Tag und Nacht hilft, das Milchbildungspotenzial der Mutter maximal auszuschöpfen.
Um die Milchbildung aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit zu steigern, ist es hilfreich, keine Stillmahlzeit auszulassen, auch wenn das Baby mit der Flasche oder einem Becher zugefüttert wird. Oft wird gemeint, wenn die Mutter ohnehin nicht die volle Milchbildung hat, dann könnte sie Flaschenfütterung und Stillen abwechseln – doch dann erhält ihr Baby weniger Milch als möglich wäre und ihre Milchbildung kann weiter zurückgehen. Denn die Brust funktioniert ganz anders als eine Flasche. Die Brust ist kein Milchcontainer mit unterschiedlichem Füllungsgrad. Die Milchbildung ist ein hochdynamischer Prozess: Je häufiger und gründlicher die Brust entleert wird, umso mehr und schneller wird Milch nachgebildet, auch bei Frauen mit reduziertem Milchbildungspotenzial (s. kurzfristige Steigerung der Milchmenge). Wenn eine Mutter Stillmahlzeiten zugunsten der Flasche auslässt, dann wird ihr Baby weniger Muttermilch erhalten.
Das heißt, wenn zur Zufütterung eine Flasche oder ein Becher verwendet werden, empfiehlt es sich, vor jedem Zufüttern zuerst zu stillen, idealerweise an beiden Brüsten bis beide gründlich entleert sind und ggf. auch wechselzustillen, um die Milchbildung maximal anzukurbeln und auszuschöpfen (d.h. zwischen den Brüsten mehrmals hin- und herwechseln, sobald das Baby die eine Brust loslässt). Nach der Zufütterung, bevor das Baby von der Zusatzmilch ganz satt wird, kann es wieder an die Brust gelegt werden. In der Zwischenzeit hat sich wieder etwas Milch nachgebildet und das Baby kann an der Brust die Stillmahlzeit beenden und dort zufrieden einschlafen.
Sollte das Baby noch weiter Hunger haben, kann es noch ein bisschen Zusatzmilch erhalten, bevor es an der Brust einschläft. Satte Babys entspannen sich, die Fäustchen öffnen sich.
8–12 Stillmahlzeiten in 24 Stunden gelten als Minimum, wobei vollgestillte Neugeborene durchschnittlich 11-mal in 24 Stunden gestillt werden wollen, bei reduziertem Milchbildungspotenzial empfiehlt es sich eher noch häufiger zu stillen, gerne auch mehrmals die Stunde, falls dies für die Mutter umsetzbar ist und das Baby mitmacht – so oft wie möglich.
Wenn eine Mutter es als Befreiung erlebt, nicht jedes Mal stillen zu müssen, ist es auch in Ordnung. Vielleicht braucht sie diese Freiheit, damit es ihr gut geht. Ihr Baby wird dann etwas weniger Muttermilch bekommen, aber das Teilstillen kann aufrechterhalten werden, wenn ansonsten häufig und nach Bedarf gestillt wird. Ähnliches gilt für die Benutzung des Schnullers: Manche Frauen erleben es als Erleichterung, ihrem Baby in bestimmten Situationen einen Schnuller anbieten zu können, wie während einer Autofahrt oder in Anwesenheit bestimmter Personen. Solange dies nur sporadisch und begrenzt vorkommt, wird die Milchbildung nicht gleich reduziert.
Wenn das Baby die Brust nur mit Zufütterschlauch akzeptiert
Manche Babys trinken gerne an der Brust der Mutter, die Zusatznahrung wird nur bei einem Teil der Mahlzeiten benötigt. Andere Babys akzeptieren die Brust nur, wenn der Schlauch des Brusternährungssets oder der Sonde angeklebt ist und daraus Milch kommt. Das ist eher der Fall, wenn die Mutter vergleichsweise wenig Milch bildet oder das Baby nicht gut an der Brust saugen kann. Auch dann lässt sich sehr viel Körper- und Hautkontakt mit sehr häufigem intuitiven Stillen umsetzen, um die Milchbildung zu maximieren – die Mutter kann das Brusternährungsset einen Großteil des Tages tragen, sodass das Baby immer spontan nuckeln darf und mit Milch belohnt wird. In diesem Fall braucht die Mutter aus hygienischen Gründen mehrere Sets, die sie regelmäßig mit frischer Milch auswechselt.
Zusätzlich pumpen?
Oft fragen sich die Frauen, ob sie zur Steigerung bzw. Aufrechterhaltung ihrer Milchbildung noch zusätzlich pumpen sollen. Füttert die Mutter mit der Flasche zu, dann wird diese zusätzliche Bruststimulation zur Aufrechterhaltung der Milchbildung nötig sein. Auch bei saugschwachen Babys kann ein zusätzliches Pumpen erforderlich sein, selbst wenn die Zufütterung an der Brust erfolgt, zumindest ergänzend. Kann das Baby nur mit Stillhütchen an der Brust trinken, wird zusätzliches Pumpen 1-2-mal am Tag zur ausreichenden Bruststimulation oft empfohlen.
Bei saugkräftigen Babys, die an der Brust zugefüttert werden, wird die Milchbildung während der Zufütterung optimal angeregt, vorausgesetzt, der Milchfluss ist so eingestellt, dass das Baby für die zusätzliche Milch aktiv saugen muss. In diesem Fall ist das Pumpen nur eine zusätzliche Belastung, die die Zeit der Mutter nur unnötig in Anspruch nimmt. Hier ist es am sinnvollsten, die Zeit des Babys an der Brust zu maximieren, um die Milchbildung am besten anzuregen. Auf das Pumpen kann verzichtet werden.
Unterschiedliche Milchmengen vormittags und nachmittags / abends
Immer wieder berichten teilstillende Mütter, dass sie vormittags größere Milchmengen haben als nachmittags / abends. Oder es fällt ihnen auf, dass ihre Babys am Vormittag an der Brust gut satt werden und längere Zeit zufrieden sind, nachmittags oder abends zugefüttert werden müssen oder die Brust sogar ablehnen.
Es scheint einen zirkadianen Rhythmus der Milchbildung zu geben, die vor allem Mütter beobachten, die nicht vollstillen. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass der Prolaktin-Spiegel – also die Menge des Milchbildungshormons – nachts am höchsten ist. Somit steht morgens / vormittags am meisten Milch zur Verfügung, auch wenn nachts gestillt wurde. Dafür ist der Fettgehalt der Milch morgens am geringsten und nimmt im Laufe des Tages zu.
Die Unterschiede in den Prolaktin-Werten erklären auch, warum nächtliches Stillen bzw. nächtliche Milchgewinnung für eine gute Milchbildung und die Aufrechterhaltung des Stillens so wichtig ist.
Wenn nachmittags / abends nicht so viel Milch fließt, muss das Baby öfter an die Brust und clusterstillen, d.h. immer wieder für kurze Zeit trinken. Es bekommt dann weniger, aber fettreichere Milch in „leereren“ Brüsten (s. Milchspendereflex und Fettgehalt der Muttermilch). Die häufige und gründliche Entleerung der Brust ist das Signal für die Steigerung der Milchbildung.
Manche Babys wollen an der Brust nicht saugen, wenn kaum oder keine Milch kommt, sie wollen satt werden. Damit das Baby oft an der Brust saugt, kann es öfter kleinere Mengen Zufütterung bekommen, idealerweise an der Brust. Wenn das Baby nur mit der Flasche zurechtkommt, kann es nachmittags und abends öfter kleinere Mengen zugefüttert bekommen und dann an die Brust gelegt werden. So soll ein Clustern erreicht werden und gleichzeitig das Baby gesättigt werden.
Wenn das Baby die Brust verweigert, kann die Brust zur Steigerung oder Aufrechterhaltung der Milchbildung per Pumpe stimuliert werden, idealerweise mit einer Doppelpumpe. Da auch mit der Pumpe nur ganz wenig oder gar keine Milch kommt, lohnt es sich kurz und öfter zu pumpen, z.B. dreimal kurz hintereinander jeweils für wenige Minuten und das nach Möglichkeit mehrfach im Laufe des Nachmittags und/oder Abends. Vor dem Pumpen und in den Pumppausen wird eine sanfte Brustmassage durchgeführt, um den Milchspendereflex auszulösen. So wird das Clustern imitiert und die Brust zur Milchbildung stimuliert, auch wenn das Baby sich weigert, an der Brust zu saugen.
Um das Pumpen in den Alltag einzubauen, helfen Pumpbustiers, welche die Pumptrichter festhalten. So werden die Hände zum Pumpen nicht gebraucht, die Mutter kann während des Pumpens anderen Beschäftigungen nachgehen. Mobile Pumpen können ebenfalls verwendet werden, damit die Mutter zu Hause oder außer Haus unterwegs sein kann, allerdings nur ersatzweise, weil sie die Milchbildung nicht so effektiv stimulieren wie die hochwertigen Krankenhauspumpen aus der Apotheke, welche auf Rezept erhältlich sind.
Der Wert des Teilstillens
Teilstillen kann herausfordernd sein. Doch, die Mühe lohnt sich: Jeder Tropfen Muttermilch enthält Immunglobuline, lebende Immunzellen, Wachstumsfaktoren, embryonale Stammzellen, Enzyme, Oligosaccharide und weitere prä- und probiotische Faktoren für eine gesunde Darmflora. Auch wenn in Europa Nicht-Stillen nur selten zu Todesfällen führt, lässt sich der Wert des Teilstillens anhand von Werten in armen Ländern demonstrieren: Teilstillen reduziert dort die Sterblichkeit in den ersten 6 Monaten auf ein Drittel bis auf ein Viertel.
Auch die Mutter profitiert gesundheitlich vom Stillen, selbst wenn sie nicht vollstillen kann. Stillen reduziert das Risiko einer Reihe von Erkrankungen wie Brustkrebs, Eierstock- und Gebärmutterschleimhautkrebs, Diabetes Typ II, Bluthochdruck und Herzinfarkt. Je länger eine Frau in ihrem Leben stillt, umso ausgeprägter ist diese protektive Wirkung. Es lohnt sich für die maximale Ausschöpfung des Milchbildungspotenzials zu kämpfen – dies führt zu nachhaltiger Vermehrung von Brustdrüsengewebe, was sich auch in der nächsten Stillzeit bemerkbar machen kann, sodass die produzierte Milchmenge nach weiteren Geburten oft höher ausfällt. Nicht wenige Frauen, die beim ersten Kind nur teilstillen konnten, erreichen bei nachfolgenden Kindern Vollstillen.
Teilstillen macht sich auch finanziell bemerkbar: Je mehr Milch die Mutter selber bilden kann, umso weniger Geld muss die Familie für künstliche Säuglingsmilch ausgeben.
Nach der Beikosteinführung kann die künstliche Säuglingsmilch allmählich ausgeschlichen und das Stillen zum Einschlafen, Trost, Herunterkommen noch lange Zeit beibehalten und genossen werden. Das Wichtigste beim Stillen – „Teil- oder Voll-“ – ist wahrscheinlich die besondere Nähe und Innigkeit zwischen Mutter und Kind.
Quellen:
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- Lawrence RA, Lawrence RM: Breastfeeding – A guide for the medical profession. Elsevier, 8. Aufl., 2016.
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WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
© Dr. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. Text, Bilder und Videos urheberrechtlich geschützt. Letzte Änderung: September 2024