Schlafhygiene für stillende Mutter-Kind-Paare

Baby und Mutter schlafen zusammen während des Stillens
Nächtliches Stillen ist mit Erholung vereinbar (© oksun70).

Zu wenig Schlaf gehört zu den größten Herausforderungen für junge Eltern. Dabei scheint das häufige nächtliche Stillen insbesondere in westlichen Kulturen für viele Mütter eine erhebliche Belastung darzustellen. Gleichzeitig ist das häufige nächtliche Stillen bei Säuglingen und Kleinkindern physiologisch, d.h. der Normalzustand: Es unterstützt die Milchbildung und die optimale Entwicklung des Babys. Sobald sich das Stillen etabliert hat und das Andocken im Liegen reibungslos klappt, werden die nächtlichen Stillmahlzeiten zum festen Bestandteil des Mutter-Kind-Schlafes. Mutter und Kind „schlafen durch“, häufiges nächtliches Stillen wird also Teil des Schlafes, ähnlich wie das Atmen, eine weitere physiologische Funktion, die auch im Schlaf fortgesetzt wird. Mutter und Kind können sich somit auch bei häufigem nächtlichen Stillen gut erholen. Dabei trägt Stillen tatsächlich zu mehr und erholsameren Schlaf im Vergleich zur Flaschenfütterung bei.

Die „Academy of Breastfeeding Medicine“ (ABM), eine internationale, in der Stillförderung engagierte medizinische Fachgesellschaft, hat 2023 eine neue klinische Leitlinie zum Umgang mit nächtlichem Stillen herausgegeben. In dieser bestätigt sie Empfehlungen auf wissenschaftlicher Evidenzbasis, welche von Stillorganisationen wie der La Leche Liga schon seit Jahrzehnten an die Mütter weitergegeben werden.

Elf hilfreiche Maßnahmen, um trotz häufigem nächtlichen Stillen genug Schlaf und Erholung zu erhalten

  1. In einem Bett nebeneinander schlafen (Sicherheitshinweise bitte beachten)
    • So ist kein Aufstehen erforderlich, um das Kind zu holen und nach dem Stillen wieder zurückzulegen.
    • So ist auch kein Hin- und Herschieben des Kindes erforderlich: Mutter und Kind können noch während des Stillens weiterschlafen.
    • Durch die direkte Nähe nimmt die Mutter die ersten subtilen Stillzeichen ihres Babys wahr und kann es anlegen, bevor beide richtig wach werden.
  2. Im Liegen stillen
    • So ist kein Aufsetzen erforderlich, das Baby kann im Halbschlaf, auf der Seite liegend angelegt werden, Mutter und Kind können noch während des Stillens weiterschlafen.
  3. Kein Bäuerchen
    • Gestillte Babys schlucken in der Regel keine Luft. Bäuerchen sind nicht erforderlich, vor allem nachts sind Bäuerchen überflüssig und stören.
  4. Nachts keine Windeln wechseln
    • Die Windeln können direkt vor und nach dem Schlaf gewechselt werden, zum Schutz der Haut kann diese mit einer Fettsalbe eingecremt werden. Mit der Zeit machen Babys nachts zunehmend weniger Stuhlgang; und Urin nicht selten erst in den Morgenstunden. Wenn Babys nachts oder in den Morgenstunden unruhig sind, signalisieren sie manchmal, dass sie ausscheiden müssen. Abhalten z.B. über einem Topf kann manchmal beim ungestörten Weiterschlafen helfen (Stichwort „Windelfrei“).
  5. Licht auslassen
    • Nachts sollte kein Licht angeschaltet werden, das würde den Biorhythmus stören. Wird nachts dennoch Licht gebraucht, kann ein schwaches rotes Licht verwendet werden, das stört den Biorhythmus am wenigsten.
  6. Geeignete Still-Schlafkleidung tragen
    • Damit die Mutter beim häufigen nächtlichen Stillen nicht friert, kann sie sich in eine Decke wickeln. Für ihren Rücken, ihre Schultern und Arme kann sie z.B. ein warmes Jäckchen oder ein langärmliges Oberteil anziehen, das vorne offen bleiben kann, und bei Bedarf darunter ggf. ein (Still-)Oberteil, das bei der Brust offen ist, am Bauch und ggf. im Dekolleté jedoch wärmt. So ist die Brust immer zugänglich, die Mutter wird nicht durch Auf- und Zumachen des Oberteils oder durch Frieren im Schlaf gestört.
  7. Sich hinlegen, wenn das Baby schläft
    • Müde Mütter können sich sowohl abends als auch tagsüber gleichzeitig mit ihren Babys schlafen legen. Wenn sie ihre Babys im Bett in den Schlaf stillen, dürfen sie mit einschlafen.
  8. Kopf ausschalten und intuitiv bei den ersten subtilen Stillzeichen anlegen
    • Oft sind es die in westlichen Kulturen verbreiteten Erwartungen an den kindlichen Schlaf, die den Müttern den Schlaf rauben. Sie fragen sich, ob es normal ist, dass ihr Kind schon wieder stillen will, ob das schon wieder Hunger sein kann, ob ihre Milch vielleicht nicht reicht, ob sie etwas falsch machen, wenn sie ihr Kind wieder stillen und ihm so eine „schlechte Angewohnheit“ antrainieren. Sie machen sich große Sorgen, nicht genug Schlaf zu bekommen, am nächsten Tag völlig erschöpft und nicht leistungsfähig zu sein. Dabei macht sie das Hinauszögern des Stillens richtig wach und es sind ihre Sorgen, die sie wach halten. Den Kopf auszuschalten und das Baby bei den ersten subtilen Stillzeichen anzulegen, bevor beide wach werden, unterstützt den erholsamen Schlaf am besten.
  9. Die Uhr, Schlafprotokolle und Apps vergessen
    • Das Beobachten der Uhr, das Zählen der Stillmahlzeiten, das Berechnen der Schlafdauer ohne Stillen, erhöhen die mentale Belastung, das Grübeln und die Sorgen und verschlechtern somit die Schlafqualität und -dauer.
  10. Das Baby tagsüber in einer Tragehilfe tragen
    • Babys wollen nicht abgelegt, sondern immer in Körperkontakt mit ihren Angehörigen sein und getragen werden. Tragen in Tragehilfen ermöglicht diesen engen Körperkontakt, sorgt für zufriedene Babys und befreit die Hände der Erwachsenen. So können viele Erledigungen gemeistert werden, während das Baby gut aufgehoben ist. Auch Väter und andere Angehörige können das Baby tragen, die Mutter auf diese Weise entlasten, ihre Bindung zum Baby und ihre elterliche Kompetenz stärken.
  11. Unterstützung organisieren
    • Die Versorgung eines Babys ist ein 24-Stunden-Job und muss auf mehrere Schultern verteilt werden. Damit sich die Mutter erholen und auf das Stillen und ihr Baby konzentrieren kann, kann sie im Haushalt, bei der Versorgung ihrer älteren Kinder, beim Windelwechseln, Baden, Umziehen des Babys usw. durch Angehörige, Bekannte oder Fachpersonen entlastet werden.

Mit diesen Maßnahmen kann auch eine Berufstätigkeit gut mit dem Weiterstillen vereinbart werden. Babys von berufstätigen Müttern kompensieren die verpassten Stillmahlzeiten und die fehlende Nähe zur Mutter tagsüber durch häufigeres nächtliches Stillen. Dies hilft die Milchbildung und das Weiterstillen aufrechtzuerhalten.

Unabhängig davon, ob sie gestillt werden oder nicht, haben alle Babys und Kleinkinder unruhige Phasen, in denen sie sehr häufig aufwachen, oft ab dem zweiten Lebenshalbjahr. Diese Phasen gehen von allein vorbei, die hier dargestellten Maßnahmen helfen, diese Phasen gut zu überstehen.

Manche Mütter stören sich weniger am häufigen nächtlichen Stillen, sondern eher daran, dass sie abends, nachdem sie ihre Kinder in den Schlaf gestillt haben, keinen Feierabend haben und immer wieder zurück zu ihren weinenden Kindern müssen. Dabei hilft es zu verstehen, dass Kinder meist nicht allein in einem dunklen Zimmer liegen möchten, sondern immer bei ihren Eltern bleiben möchten. Nur dort fühlen sie sich sicher und geborgen, eine Grundvoraussetzung für erholsamen Schlaf. Es ist eine Überlegung wert, das Kind dort in den Schlaf zu stillen, wo sich auch die Eltern aufhalten. Der Lärm stört viele Kinder weniger als Einsamkeit. Andere Mütter nehmen sich lieber tagsüber eine Auszeit für sich und bleiben abends bei ihren Kindern.


Was NICHT hilft: verbreitete Maßnahmen, die kontraproduktiv sind

  • Nachts abstillen oder die nächtliche Stillhäufigkeit einschränken: Babys brauchen auch nachts Muttermilch und Nähe. Während der Schwangerschaft waren sie rund um die Uhr ohne Unterbrechung über die Nabelschnur versorgt. Auch nach der Geburt entwickeln sie sich am besten, wenn sie rund um die Uhr, auch nachts, häufig und nach Bedarf gestillt werden. Darüber hinaus ist das häufige nächtliche Stillen wichtig für eine gute Milchbildung. Es ist ein Mythos, dass nicht gestillte Babys „besser“ schlafen. Zwar nehmen nicht stillende Mütter die Stillsignale ihrer Babys schlechter wahr und glauben, dass diese über längere Phasen im Tiefschlaf sind. Doch objektive Untersuchungen widerlegen diesen Mythos. Sie zeigen, dass gestillte Babys mindestens so gut oder besser schlafen als künstlich ernährte und dass nicht stillende Mütter durchschnittlich eine Dreiviertelstunde weniger Schlaf bekommen als stillende. Denn Stillen fördert das Entspannen, das Ein- und Weiterschlafen von Mutter und Kind und sorgt für Entlastung bei der Versorgung des Babys.
  • Tagsüber abpumpen, damit nachts der Partner die Flasche geben kann: Das Abpumpen von Muttermilch und die Fütterung des Babys mit der Flasche ist für die Eltern mit großem Aufwand verbunden. Durch die Flaschenfütterung werden die fütternde Person und das Baby richtig aus dem Schlaf gerissen, während Stillen im Bett während des Schlafes kaum stört und sogar schläfrig macht. Während des nächtlichen Stillens erhält das Baby das Schlafhormon Melatonin aus der Muttermilch, das ihm dabei hilft, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu etablieren. Bekommt das Baby Muttermilch, die tagsüber abgepumpt wurde, fehlt das Melatonin und die Etablierung des Schlaf-Wach-Rhythmus ist erschwert.
  • Abends industrielle Säuglingsnahrung geben: Industrielle Nahrung sättigt nicht besser als Muttermilch. Außerdem ist Flaschenfütterung deutlich aufwendiger für die Eltern als das Stillen, reißt sie richtig aus dem Schlaf und ist ungesund im Vergleich zum Stillen. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass Eltern, die ihre Babys in den Schlaf gestillt haben, eine Dreiviertelstunde länger schlafen, als Eltern, die künstliche Milch gaben. Flaschenfütternde Mütter berichten über mehr Schlafunterbrechungen als ausschließlich stillende Mütter.
  • Abends einen „sättigenden“ Brei geben: Studien konnten keinen verbesserten Schlaf bei Babys nachweisen, die vor dem Schlafengehen einen Brei erhielten. Beikost sollte etwa mit sechs Monaten eingeführt werden, wenn das Baby Beikostreife zeigt. Das häufige Stillen nach Bedarf rund um die Uhr kann neben der adäquaten Beikost noch lange beibehalten werden (siehe WHO-Empfehlungen).

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Quellen:

  • Boucke Laurie: TopfFit! Der natürliche Weg mit oder ohne Windeln, 2003.
  • La Leche League: Das Handbuch für die stillende Mutter, 2016, S. 238-258.
  • Zimmerman D, Bartick M, Feldman-Winter L, Ball HL; Academy of Breastfeeding Medicine. ABM Clinical Protocol #37: Physiological Infant Care-Managing Nighttime Breastfeeding in Young Infants. Breastfeed Med 2023;18(3):159-168.
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