Ein Brustabszess (Mammaabszess) ist eine seltene Folge einer bakteriellen Brustentzündung. Er bedarf unverzüglicher medizinischer Behandlung. Der folgende Artikel beschreibt die Symptome, die Behandlung und das Stillmanagement bei einem Brustabszess in der Stillzeit mit dem Ziel, das Stillen erhalten.
Inhaltsübersicht:
- Was ist ein Brustabszess in der Stillzeit und wie wird er erkannt?
- Diagnostik und Therapie
- Die Bedeutung der Schnittführung für die Erhaltung des Stillens
- Weiterstillen nach der Behandlung des Brustabszess
- Falls das Abstillen medikamentös eingeleitet wurde
Was ist ein Brustabszess in der Stillzeit und wie wird er erkannt?
Ein Abszess ist eine mit infizierter Flüssigkeit (Eiter) gefüllte Kapsel, die infolge einer bakteriellen Brustentzündung (Mastitis) auftreten kann. Verschiedenen Schätzungen zufolge entwickelt sich ein Brustabszess bei 2–10% aller Brustentzündungen. Einer schwedischen Erhebung zufolge entwickelt sich nach etwa jeder tausendsten Geburt ein Brustabszess. Erstgebärende waren deutlich häufiger betroffen als Mütter mit Stillerfahrung. Ein Brustabszess tritt überwiegend (zu ca. 85%) am Anfang der Stillzeit auf, meist in den ersten 3 Monaten.
Eine befürchtete Komplikation eines Abszesses ist eine Sepsis, weswegen ein Brustabszess als chirurgischer Notfall gesehen wird.
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Der Abszess zeigt sich meist nach dem Abklingen der Symptome einer Brustentzündung als ein schmerzhafter oder schmerzfreier Knoten oder Verhärtung, mit oder ohne Rötung, der sich im Gegensatz zu einem Milchstau trotz häufigen Stillens nach Bedarf nicht nach einigen Tagen auflöst, sondern bestehen bleibt. Auch anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber nach einer Brustentzündung kann ein Hinweis auf einen Abszess sein. Allerdings ist Fieber nicht immer vorhanden. Die Haut über dem Abszess kann geschwollen sein und sich zunehmend verfärben, aber auch das kommt nicht immer vor. Manchmal ist die Brustwarze oder die Haut über dem Abszess eingezogen.
Ein Abszess kann an verschiedenen Stellen vorkommen: an der Oberfläche direkt unter der Haut – oft in der Nähe der Brustwarze – oder tief im Inneren der Brust. Der Abszess kann auch im Brustgewebe verstreut sein. Am Anfang der Stillzeit überwiegen Abszesse, die auf einen Brustbereich lokalisiert sind. Wenn der Abszess im Rahmen eines schnellen Abstillens auftritt, dann kann er eher auf mehrere Brustsegmente verstreut sein.
Diagnostik und Therapie
Diagnostik und Behandlung eines Abszesses gehört in die Zuständigkeit von Ärzten. Frauenärzte sind in der Regel die ersten Ansprechpartner, sie überweisen die Frauen gegebenenfalls in eine Frauenklinik.
Zur Diagnostik eines Abszesses wird die Frau über die Vorgeschichte befragt und körperlich untersucht. Die Brust wird meist per Ultraschall untersucht. Zur Bestätigung, dass es sich um einen Abszess und nicht um einen Knoten anderen Ursprungs handelt, wird aus dem Knoten mithilfe einer Kanüle Eiter entnommen. Das Anlegen einer Bakterienkultur erfolgt routinemäßig, um den beteiligten Mikroorganismus zu identifizieren und das geeignete Antibiotikum auszuwählen. Die Behandlung findet ambulant oder stationär statt, es können mehrere Therapiesitzungen erforderlich sein. Der Abszess wird durch eine chirurgische Eröffnung mit einem Skalpell (Inzision) unter Vollnarkose und einer Drainage – z.B. bei großflächigen und verstreuten Abszessen – oder durch Punktion mit lokaler Betäubung entleert – oft bei singulären Abszessen mit kleinem Durchmesser. Die weniger invasive Punktion wird täglich wiederholt, bis der Abszess ausgetrocknet ist. Zusätzlich bekommt die Frau in der Regel Antibiotika intravenös oder zum Einnehmen für 10-14 Tage.
Nach einer Inzision sind langfristig mehr Frauen unzufrieden mit dem ästhetischen Erscheinungsbild der Brust als nach einer Punktion. Nach einer Punktion tritt ein Rezidiv jedoch tendenziell häufiger auf als nach einer Inzision. Die Heilung kann 4-6 Wochen in Anspruch nehmen.
Aus dem Einschnitt kann bis zur Abheilung Milch sickern – das ist kein Grund zur Sorge. Möglicherweise trägt die auslaufende Milch sogar dazu bei, die Wunde zu reinigen und die Heilung zu fördern. Muttermilch enthält zahlreiche Substanzen, die gegen pathogene Mikroorganismen und Entzündungen wirkt. Die Milch sickert oft insbesondere beim Milchspendereflex. Mit einem sauberen Einweg-Tuch kann die Milch aufgefangen und somit die Haut trocken gehalten werden, um Hautschäden zu vermeiden.
Folgendes Video zeigt eine minimal-invasive Drainage eines Brustabszesses bei einer stillenden Mutter durch Dr. Mitchell, der Erstautorin einer Academy of Breastfeeding Medicine (2022) Leitlinie zum Thema (Das Baby wurde direkt nach dem Eingriff auch an der betroffenen Brust weitergestillt): https://www.youtube.com/watch?v=JOOKKLgrE28
Die Bedeutung der Schnittführung für die Erhaltung des Stillens
Für die Aufrechterhaltung des Stillens und z.T. auch für die langfristige Erhaltung der vollen Stillfähigkeit an der betroffenen Brust ist es von großer Bedeutung, dass der Bereich des Brustwarzenhofs bzw. der Bereich, wo das Baby andockt / die Pumphaube ansetzt, im Rahmen der Abszessbehandlung intakt bleibt.
Die behandelnde Ärztin hat einen gewissen Spielraum dabei, wo sie die Punktion oder die Inzision setzt. Auch wenn der Abszess unterhalb des Warzenhofs liegt, kann er durch einen seitlichen, radiären Zugang eröffnet werden, um das für das Stillen wichtige Gewebe zu schonen.
Vor dem Eingriff sollte mit der behandelnden Ärztin besprochen werden, dass ein Weiterstillen gewünscht ist und auch weitere mögliche Kinder noch gestillt werden sollen. Nicht alle Ärzte denken von sich aus an diese Aspekte oder ziehen überhaupt ein Weiterstillen in Erwägung. In der Ausbildung von Gynäkologen und Brustchirurginnen kommt das Thema Laktation und Stillen oft zu kurz.
Schnitte / Punktionen in der Nähe der Brustwarze können das Stillen und das Abpumpen erschweren oder behindern. Das Kind kann an der Brust nicht mehr gestillt werden, wenn der Schnitt / die Punktion in seinem Mundbereich gesetzt wird. Auch ein Abpumpen ist an der betroffenen Brust dann nicht mehr möglich; die manuelle Milchgewinnung ist manchmal möglich, manchmal nicht.
Wenn die laktierende Brust aufgrund der Schnittführung plötzlich überhaupt nicht mehr entleert werden kann, dann staut sich die produzierte Milch, es kann sich ein Milchfieber mit dem Risiko weiterer Brustentzündungen und ggf. Abszessen einstellen (s. Abruptes Abstillen), die Heilung wird erschwert. Aus diesem Grund drängen die Ärzte in solchen Fällen zum medikamentösen Abstillen, was jedoch beide Brüste betrifft, sodass die Milchbildung auch an der gesunden Brust eingestellt wird.
Zudem können durch Schnitte in der Nähe der Brustwarze Haupt-Milchkanäle verletzt werden, sodass ein Bereich der Brust anschließend nicht mehr entleert werden kann und für die Milchbildung im Anschluss möglicherweise auch langfristig nicht mehr zur Verfügung steht. Auch Nerven, die in der Nähe der Brustwarze dicht verlaufen und für das Stillen wichtig sind, können verletzt werden. Mütter, bei denen ein chirurgischer Eingriff an der Brust in der Vorgeschichte vorgenommen wurde (z.B. Entfernung von Abszessen, Adenomen und sonstigen Knoten), berichten öfter, dass diese Brust nicht so viel Milch bildet wie die andere und/oder der Milchspendereflex verzögert / schwach ist. Weiter von der Brustwarze entfernt sind die für das Stillen essenziellen Strukturen nicht mehr so dicht und nur ein kleinerer Brustbereich verliert seine Funktion, die durch die gesunden Bereiche leichter kompensiert wird.
Weiterstillen nach der Behandlung des Brustabszess
Ein Brustabszess ist sehr belastend für die Mutter, insbesondere, wenn sie sich einer langwierigen Behandlung unterziehen muss. Ein Abstillen ist jedoch weder erforderlich, noch hilfreich. Im Gegenteil: durch die regelmäßige Entleerung der Brust wird der Heilungsprozess unterstützt. Durch das plötzliche Abstillen verschlimmert sich die Situation aufgrund der Stauung von Milch in den Brustdrüsen, welche weitere Brustentzündungen nach sich ziehen kann (s. Abruptes Abstillen). Um Stauungen zu vermeiden, sollte die Brust selbst dann noch weiter per Hand oder Pumpe entleert werden, wenn die Mutter sich zum Abstillen entscheidet. In diesem Falle kann die Entleerung ganz langsam bis zum Abstillen reduziert werden.
Das Kind nimmt durch das weitere Stillen keinen Schaden: Es können stillfreundliche Medikamente ausgewählt werden. Es gibt viele Antibiotika, die in der Stillzeit genommen werden dürfen.
Es dürfen auch stillfreundliche Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol) genommen werden (siehe den Artikel Arzneimittel und Stillen). Nach der erfolgreichen Behandlung des Abszesses kann bei Bedarf noch Monate und Jahre weitergestillt werden.
Leider werden betroffene Mütter von Verwandten und Bekannten, nicht selten jedoch auch von ihren Ärzten zum Abstillen gedrängt. Die Frauen bekommen Abstilltabletten mitunter als Routineteil des Behandlungsplans. Diese Vorgehensweise basiert jedoch nicht auf wissenschaftlichen Belegen, sondern lediglich auf Traditionen und subjektiven Überzeugungen. Manche Fachleute unterschätzen auch das psychische Trauma des Abstillens und die gesundheitlichen Vorteile des Weiterstillens für Kind und Mutter, welche Dosis-abhängig sind: Je länger gestillt wird, umso ausgeprägter sind die Vorteile (s. Warum Stillen so wichtig ist). Es ist auch nicht richtig, dass Frauen, die einmal einen Brustabszess entwickelt haben, eine Neigung dazu hätten und ohne Abstillen immer wieder betroffen wären. Milchstaus, Brustentzündungen und Abszesse kommen hauptsächlich in den ersten Stillmonaten vor, wenn die Frau sehr viel Milch bildet (siehe auch den Artikel „Zu viel Milch“) – oder wenn die Frau plötzlich abstillt. Im Laufe der Monate justiert sich die Milchbildung auf die Nachfrage des Kindes, die Brustdrüsen arbeiten effizienter – sodass weniger Milch auf Überschuss produziert wird und das Risiko für Milchstaus, Brustentzündungen und Abszesse deutlich abnimmt.
Das Baby kann an der betroffenen Brust auch während der Behandlung weiterstillen – selbst dann, wenn eine Drainage liegt –, es sei denn, der Abszess ist so nah an der Brustwarze, dass ihn das Baby beim Stillen mit seinem Mund berührt. Möglicherweise lehnt das Baby die Brust vorübergehend ab, weil die Milch durch die Infektion salziger schmeckt als sonst. Wenn das Baby an der betroffenen Brust nicht trinkt, dann soll diese mit der Hand oder einer Pumpe regelmäßig geleert werden. An der gesunden Brust kann die Frau auf alle Fälle weiterstillen und an der betroffenen Brust weiterstillen, sobald der Heilungsprozess dies ermöglicht.
Falls das Abstillen medikamentös eingeleitet wurde
Selbst wenn das Abstillen bereits medikamentös eingeleitet wurde oder die medikamentöse Einleitung unvermeidlich erscheint, darf das Baby an der gesunden Brust ggf. weiter angelegt werden: Unerwünschte Wirkungen beim gestillten Säugling sind für die einzelnen Dosen Cabergolin, welche in diesen Situationen meist verschrieben werden, bislang nicht bekannt.
Durch das Abstill-Medikament wird der Prolaktin-Spiegel der Frau gesenkt, was die Milchbildung drosselt. Dabei sollte die kleinste mögliche Dosis genommen werden, um die erneute Steigerung der Milchbildung möglichst wenig zu behindern. Es wurde auch diskutiert, ob anstelle von Cabergolin Pseudoephedrin zur Drosselung der Milchbildung an der betroffenen Brust verwendet werden sollte, falls die medikamentöse Unterstützung unvermeidlich ist. Pseudoephedrin, das in manchen Erkältungspräparaten in Kombination mit Ibuprofen enthalten ist, verbleibt viel kürzer im Körper der Mutter als Cabergolin, das eine Halbwertszeit von fast 3 Tagen hat.
Die Stimulation der Brust durch häufiges Stillen und/oder Pumpen erhöht den Prolaktin-Spiegel, sodass sich mit der Zeit die Milchbildung ganz oder teilweise wieder erholen kann. Hierzu ist allerdings ggf. sehr viel Geduld über viele Wochen und konsequente, häufige und ausgiebige Bruststimulation durch das Baby oder durch Pumpen mit einem Doppelpumpset erforderlich. Das Baby muss zugefüttert werden, sodass es weiterhin entlang seiner Perzentile zunimmt (s. Gewichtsentwicklung).
Um das Stillen zu erhalten, erfolgt die Zufütterung idealerweise an der Brust. Durch Zufütterung an der Brust, z.B. durch das Brusternährungsset, wird das Baby viel Zeit damit verbringen, an der Brust zu saugen und so die Milchbildung zu fördern. Außerdem wird vermieden, dass das Baby die Brust ablehnt und nur noch die Flasche akzeptiert, was bei geringer Milchbildung oft vorkommt.
Auch die betroffene Brust kann nach dem Ausheilen des Abszesses wieder angeboten werden, wenn diese eine Zeit lang nicht angeboten werden durfte. Damit das Baby sie nimmt, kann es (auch) dort z.B. mithilfe des Brusternährungssets zugefüttert werden. Möglicherweise kommt die Milchbildung ein Stück weit oder sogar bis zum Vollstillen wieder in Gang.
Eine Begleitung durch eine erfahrene Stillberaterin kann entscheidend dazu beitragen, das Stillen aufrechtzuerhalten und wieder aufzubauen (s. unser Verzeichnis für Unterstützungsangebote).
Quellen:
- Abou-Dakn M, Bauer Z: Die stillende Frau in der gynäkologischen Praxis. ComMed Verlag, 2008. S. 68-70.
- AWMF: S3-Leitlinie zur Therapie entzündlicher Brusterkrankungen in der Stillzeit 2013.
- Irusen H, Rohwer AC, Steyn DW, Young T. Treatments for breast abscesses in breastfeeding women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 8. Art. No.: CD010490. DOI: 10.1002/14651858.CD010490.pub2.
- Kvist LJ, Rydhstroem H. Factors related to breast abscess after delivery: a population-based study. BJOG. 2005 Aug;112(8):1070-4. doi: 10.1111/j.1471-0528.2005.00659.x. PMID: 16045520.
- Lawrence AR, Lawrence RM: Breastfeeding: A Guide for the Medical Profession. Elsevier, 8. Aufl., 2016, S. 573
- Mitchell KB, Johnson HM, Rodríguez JM, Eglash A, Scherzinger C, Zakarija-Grkovic I, Cash KW, Berens P, Miller B; Academy of Breastfeeding Medicine. Academy of Breastfeeding Medicine Clinical Protocol #36: The Mastitis Spectrum, Revised 2022. Breastfeed Med. 2022 May;17(5):360-376. doi: 10.1089/bfm.2022.29207.kbm. Erratum in: Breastfeed Med. 2022 Nov;17(11):977-978.
- Walker M: Beastfeeding Management for the Clinician. Using the evidence. Jones & Bartlett Publishing 2017, 4. S. 613-615.
- Wilson-Clay B, Hoover KL: The Breastfeeding Atlas. 6. Aufl. 2017. S. 93-97.
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