Beispielloses globales Wachstum der Säuglingsnahrungsindustrie

Regal mit Formula
Industrielle Säuglingsnahrung verdrängt zunehmend das Stillen. (© Rene Van Den Berg)

Wie es aus einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung hervorgeht, wächst der globale Absatz von industrieller Säuglingsnahrung in einem bislang beispiellosen Tempo – vor allem in Asien.

Durch das steigende Einkommen und die Urbanisierung der Bevölkerung in China und Südostasien erhalten immer mehr Menschen Zugang zu industriell verarbeiteten Lebensmitteln. Gleichzeitig wächst die Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben und Regelungen zum Schutz des Stillens fehlen. Ohne ausreichend langen Mutterschaftsurlaub, ohne bezahlte Stillpausen, flexible Arbeitszeiten und geeignete Räumlichkeiten zum Stillen ist die künstliche Ernährung der Säuglinge für die Familien oft besser umsetzbar.

Der Wettbewerb zwischen den Säuglingsnahrungsherstellern erreicht aktuell einen neuen Höhepunkt. Es wird geschätzt, dass die Firmen über ein Marketingbudget verfügen, das dem jährlichen Budget der gesamten Weltgesundheitsorganisation (WHO) entspricht – 4,5 Milliarden US$ pro Jahr. Da in den entwickelten Ländern der Verkauf von Säuglingsnahrung stagniert, betrachten die Unternehmen die sich entwickelnden asiatischen Länder als vielversprechende Wachstumsfelder.

Der Verkauf von Säuglingsnahrung ist ein hoch lukratives Geschäft mit hohen Verdienstspannen. Weltweit führende Säuglingsnahrungshersteller sind Nestle, Danone, Mead Johnson und Abbot Laboratories. Diese kontrollieren 55% des globalen Marktes. Der Umsatz lag 2014 bei 45 Milliarden US$, für 2019 wird ein Umsatz von 70,6 Milliarden US$ prognostiziert. Zwischen 2008 und 2013 stieg der globale Absatz künstlicher Säuglingsnahrung um 40,8% von 5,5 auf 7,8 kg/Kind und Jahr. Zwischen 2014 und 2018 wird das weitere Wachstum auf 30,4% bis 10,8 kg pro Kind/Jahr geschätzt. Diese Entwicklung ist sowohl in Bezug auf ihre Geschwindigkeit als auch auf ihr Ausmaß beispiellos.

Chinesisches Mutter füttert ihr Baby mit der Flasche
In China und Südostasien sind Millionen von Kindern betroffen. (© Atthapol Saita)

In den hochstrebenden Ländern Asiens wird dem WHO-Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten wenig Beachtung geschenkt, zumal der Verkauf von Säuglingsnahrung hohe Steuereinnahmen ermöglicht. So können die Unternehmen ihr Kodex-verletzendes Marketing ungehindert ausüben. Formulanahrung wird als Symbol für die Moderne dargestellt, mit der Muttermilch vergleichbar oder ihr sogar überlegen. Die Unternehmen werben auf unzulässige Weise direkt bei den Müttern, nehmen Einfluss über das Gesundheitssystem, z.B. durch die Verteilung von kostenlosen oder verbilligten Probepackungen während der Schwangerenvorsorge, auf geburtshilflichen Abteilungen oder bei der Nachsorge. Sie sponsern Fachorganisationen der Geburtshilfe und der Pädiatrie und betreiben Lobbyarbeit in der Gesetzgebung. Sie untergraben das Stillen, indem sie in Katastrophensituationen große Mengen Milchnahrung spenden. Der asiatisch-pazifische Raum wird weltweit am häufigsten von Katastrophen heimgesucht. Gerade in Katastrophensituationen ist Stillen besonders wichtig und entscheidend fürs Überleben.

Verzichten die Frauen auf das Stillen, werden sie unumkehrbar abhängig von künstlicher Säuglingsnahrung. Diese Abhängigkeit ist besonders gefährlich, wenn die Versorgung mit Formula unregelmäßig ist oder die Eltern sie sich nicht immer leisten können. Diese aktuelle Entwicklung gefährdet die Gesundheit von Millionen von Kindern wie Müttern.

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