Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) betont, dass eine adäquate Ernährung in den ersten Lebensjahren essentiell für die Entwicklung eines vollen menschlichen Potenzials ist. Sie weist darauf hin, dass die ersten zwei Lebensjahre eine kritische Phase für optimales Wachstum, optimale Gesundheit sowie optimale mentale und motorische Entwicklung darstellen.
Die WHO gibt auf ihrer Webseite und in ihrem Modellkapitel folgende Empfehlungen für die Ernährung gestillter Kinder:
Dauer des ausschließlichen Stillens und der Zeitpunkt der ersten Beikost
Die WHO empfiehlt, Babys 6 Monate lang (180 Tage) ausschließlich zu stillen, d.h. ohne weitere Speisen und Getränke außer Muttermilch zu ernähren. In den ersten sechs Monaten konnten nämlich keine nachteiligen Effekte des ausschließlichen Stillens auf das Wachstum beobachtet werden, wenn die Mutter nicht unterernährt war. Ausschließliches Stillen bietet in dieser Zeit mehrere Vorteile für Kind und Mutter. Das Kind erhält einen besseren Schutz des Magen-Darm-Traktes vor Infektionen. Außerdem wurde bei Säuglingen, die sechs Monate ausschließlich gestillt wurden, eine bessere motorische Entwicklung beobachtet. Nach sechs Monaten jedoch kann Muttermilch allein die Ernährungsbedürfnisse des Kindes immer weniger befriedigen. In diesem Alter sind die meisten Babys bereit für Beikost. Frühgeborene oder mit niedrigem Gewicht geborene Säuglinge sowie Kinder von unter- oder mangelernährten Müttern müssen unter Umständen schon vor dem sechsten Monat Eisen und andere Nährstoffe (z.B. Zink und Vitamine) zusätzlich zur Muttermilch erhalten.
Häufiges Weiterstillen nach Bedarf bis zum Alter von ≥ 2 Jahren
Häufiges Stillen nach Bedarf – so oft das Kind möchte – sollte mindestens bis zum Alter von zwei Jahren fortgesetzt werden, da Muttermilch weiterhin eine wichtige Quelle für Energie und viele Nährstoffe ist, welche in der Muttermilch zum Teil in höherer Qualität vorliegen als in der Beikost.
Darüber hinaus enthält Muttermilch viele Schutzfaktoren, sodass das Weiterstillen das Risiko für eine Reihe akuter und chronischer Erkrankungen reduziert. Eine längere Stilldauer steht außerdem mit verbesserten kognitiven Leistungen in Verbindung.
Muttermilch ist während Erkrankungen des Kindes besonders wichtig, wenn das Kind das Essen verweigert, nicht aber die Brust. Stillen schützt in diesen Phasen vor einer Austrocknung und bietet die notwendigen Nährstoffe für die Genesung.
Verantwortungsvoll füttern
Die WHO weist darauf hin, dass optimales Füttern nicht nur davon abhängt, was gefüttert wird, sondern auch wie, wann, wo und von wem das Kind gefüttert wird. Verantwortungsvolles Füttern bedeutet Folgendes:
- das Baby selbst füttern oder es beim selbstständigen Essen unterstützen. Dabei sollte man Anzeichen von Hunger und Sättigung beachten.
- langsam und geduldig füttern, die Kinder zum Essen ermuntern, aber nicht zwingen;
- wenn die Kinder viele Speisen ablehnen, mit verschiedenen Kombinationen, Geschmacksnoten und Beschaffenheit der Speisen experimentieren und mehrere Methoden der Ermutigung probieren;
- Ablenkungen während der Mahlzeiten einschränken, wenn das Kind dadurch das Interesse am Essen schnell verliert;
- Mahlzeiten liebevoll gestalten, z.B. indem man Augenkontakt herstellt und zum Kind spricht.
Hygienische Zubereitung und Aufbewahrung der Beikost
Das Essen sollte hygienisch zubereitet und verfüttert werden. Entweder soll man das Essen gleich nach der Zubereitung verfüttern oder unter geeigneten Bedingungen wie im Kühlschrank aufbewahren. Gekochte und rohe Lebensmittel sollten getrennt werden. Saugflaschen sollten möglichst vermieden werden, da sie nicht so einfach sauber gehalten werden können.
Händewaschen vor dem Essen ist wichtig, sowohl für die Eltern als auch für das Kind, vor allem, wenn es selbstständig isst.
Mit kleinen Mengen beginnen und die Menge allmählich steigern
Es wird empfohlen, im Alter von 6 Monaten mit kleinen Portionen anzufangen und die Portionen allmählich zu steigern, wenn das Kind älter wird. Das häufige Stillen wird beibehalten. Im übrigen sollte man verantwortungsvoll füttern (siehe oben) und sich dabei von Hunger und Sättigung des Kindes leiten lassen.
Die Energiedichte der Beikost sollte höher sein als von Muttermilch (ca. 0,7 kcal/ml), also 0,8-1,0 kcal/ml, um den hohen Energiebedarf des wachsenden Kindes bei kleinen Nahrungsmengen zu decken. Um diese hohe Energiedichte zu erreichen, sollte die Nahrung relativ „fest“, also nicht wässrig sein, und Fette / Öle in ausreichenden Mengen enthalten.
Beschaffenheit der Nahrung
Die Beschaffenheit der Nahrung soll dem Entwicklungszustand des Kindes entsprechen. Denn wenn das Kind Nahrung bekommt, die es schlecht essen kann, wird es keine ausreichende Menge davon verzehren können. Mit sechs Monaten können Babys pürierte, zerdrückte und halbfeste Lebensmittel verzehren. Mit acht Monaten können die meisten Kinder mit den Händen selbstständig „Fingerfood“ essen. Ab dem zwölften Monat können die meisten Kinder dieselbe Art Nahrung essen, wie der Rest der Familie, wobei sie Nahrung mit hoher Nährstoffdichte benötigen. Lebensmittel, an denen sich das Kind verschlucken kann (z.B. Nüsse und rohe Karotten), dürfen nicht gegeben werden.
Für die optimale Kindesentwicklung ist es wichtig, dass die Kinder zunehmend auch festere, stückigere Nahrung erhalten. Es gibt Hinweise darauf, dass es ein kritisches Zeitfenster für die Einführung von „stückiger“ Nahrung gibt: Wird diese über das Alter von 10 Monaten hinaus verzögert, kann dies das Risiko späterer Fütterungsprobleme erhöhen.
Häufigkeit der Mahlzeiten
Die Anzahl der Mahlzeiten soll im Laufe der Monate allmählich erhöht werden.
Im Alter von 6-8 Monaten brauchen Kinder täglich 2-3 feste Mahlzeiten, im Alter von 9-23 Monaten 3-4 feste Mahlzeiten. Abhängig vom Appetit des Kindes können darüber hinaus 1-2 Zwischenmahlzeiten angeboten werden, die einfach und bequem zubereitet werden und vom Kind alleine gegessen werden können.
Nährstoffgehalt der Beikost
Da die Verfügbarkeit von Nahrung in verschiedenen Regionen der Welt so unterschiedlich ist, gibt die WHO keine allgemeingültigen Rezepte zur optimalen Ernährung heraus. Sie empfiehlt eine abwechslungsreiche Kost mit hoher Nährstoffdichte, um den Bedarf an allen Nährstoffen zu decken.
Fleisch, Geflügel, Fisch oder Eier sollten möglichst täglich gegessen werden, da der Bedarf an Eisen und Zink in diesem Alter besonders hoch ist und weitgehend durch die Beikost gedeckt werden muss. Eine mögliche Alternative sind Hülsenfrüchte sowie Nüsse zusammen mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln (Zitrusfrüchte, Tomaten, Paprika, Gemüse mit grünen Blättern usw.). Vegetarische Kost ohne Supplemente kann den Nährstoffbedarf im Säuglings- und Kleinkindalter jedoch nicht vollständig decken.
Carotinoidreiche Obst- und Gemüsesorten (tiefgelbe, orangenfarbene Früchte, grünes Blattgemüse, Karotten, Spinat, Brokkoli, Grünkohl), sollten täglich gegessen werden. Auf adäquaten Fettgehalt der Nahrung ist zu achten.
Wegen des schnellen Wachstums ist in den ersten zwei Lebensjahren der Nährstoffbedarf besonders groß. Muttermilch trägt in großem Maße zur Energie- und Nährstoffversorgung von Säuglingen und Kleinkindern bei, insbesondere in Bezug auf Proteine und viele Vitamine. Muttermilch hat jedoch eine relativ niedrige Konzentration an Mineralien wie Eisen und Zink, selbst wenn man die Bioverfügbarkeit mit in Betracht zieht. Da Kinder in ihren 6-24 Lebensmonaten relativ wenig essen, ist es umso wichtiger, dass sie nährstoffreiche Lebensmittel bekommen.Milchprodukte sind eine gute Quelle für manche Nährstoffe, wie z.B. Kalzium, aber sie enthalten nicht genug Eisen. Verzehr von frischer, unerhitzter Kuhmilch im ersten Lebensjahr wurde außerdem mit Blutverlust im Stuhl und einem niedrigeren Eisenstatus in Verbindung gebracht. Deshalb mag es sinnvoller sein, Milchprodukte in Form von Käse und Joghurt zu geben, oder gekocht im Getreidebrei.
Auf Getränke mit niedrigem Nährwert sollte verzichtet werden. Tee und Kaffee können die Eisenaufnahme stören. Gezuckerte Getränke wie Limonade reduzieren den Appetit des Kindes auf nährstoffreiche Lebensmittel. Dies gilt auch für große Mengen Fruchtsäfte, die zusätzlich noch flüssigen Stuhl verursachen können.
Süßigkeiten schädigen die Zähne des Kindes, sind arm an Nährstoffen und daher zu vermeiden.
Sollte es nicht möglich sein, den hohen Nährstoffbedarf des Kindes über die Beikost zu decken, sollten Supplemente verwendet werden.
Ernährung während und nach Erkrankungen
Während einer Erkrankung sollte das Kind viel trinken, und es soll ermuntert werden, verschiedene leichte und appetitliche Speisen zu essen. Da kranke Kinder die Brust fester Nahrung häufig vorziehen, ist es ratsam, sie während einer Erkrankung weiterhin viel zu stillen. Nach der Erkrankung sollten sie mehr essen als sonst, um den Nährstoffverlust wieder auszugleichen und das verlorene Gewicht aufzuholen.
Quellen:
- World Health Organization (WHO), 2003: Guiding principles for complementary feeding of the breastfed child.
- World Health Organization (WHO), 2009: Infant and young child feeding: Model chapter for textbooks for medical students and allied health professionals
- World Health Organization (WHO), 2017: Guidance on Ending the Inappropriate Promotion of Foods for Infants and Young Children. Implementation Manual.
- World Health Organization (WHO), 2021: Infant and young child feeding
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