Eigentlich ist die Form der Brustwarzen unerheblich, die meisten Babys kommen mit der Brustwarze ihrer Mutter bestens zurecht. Denn Babys saugen an allem, was ihnen angeboten wird. Nur in Ausnahmefällen treten Schwierigkeiten auf – mit kompetenter Unterstützung und viel Ausdauer lassen sie sich jedoch meistern. Der folgende Artikel informiert über die Funktionalität der Brustwarzenformen beim Stillen sowie über verschiedene Möglichkeiten, anfängliche Hürden zu überwinden.
Die verschiedenen Brustwarzenformen und ihre Besonderheiten beim Stillen
Jeder Mensch ist anders. Auch die Brustwarzen sind bei jeder Frau individuell geformt: Es gibt breite und schmale, kurze und lange, hervorstehende und eingezogene, mehr oder minder elastische Brustwarzen. Bei manchen Brustwarzenformen ist das Risiko von Anlegeproblemen etwas erhöht und ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich.
Im idealtypischen Fall ragen Brustwarzen hervor und können auf diese Weise vom Baby leicht gefunden und zentral erfasst werden. Auf Stimulation wird die Brustwarze fester, richtet sich stärker auf und erleichtert das Andocken. Das Baby erfasst die Brustwarze samt eines großen Bereichs des Brustwarzenhofs und formt das Gewebe mit seinem Mund zu einem Kegel. Brustwarze und Brustgewebe verlängern sich in der Mundhöhle des Kindes durch das Saugen, sodass die Brustwarze den hinteren Gaumen berührt. Diese Berührung erzeugt einen Saugstimulus. Die Brustwarze füllt die Mundhöhle des Babys aus, was ihm hilft, das Vakuum zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.
Bei Abweichungen von diesem idealtypischen Muster ist es für das Baby schwieriger, die Brustwarze zu finden und zentriert zu erfassen. Wenn das Brustgewebe und die Brustwarze wenig formbar sind, dann ist es für das Baby schwieriger, das Vakuum aufrechtzuerhalten. Bei einer fehlenden Berührung des Gaumens bei flachen oder eingezogenen und/oder unelastischen Brustwarzen bleibt der Saugstimulus aus. Das Baby lässt wieder los, macht suchende Kopfbewegungen, wird unruhig, frustriert, evtl. apathisch und schläft hungrig ein. Manchmal versuchen Babys die geringere Elastizität der Brustwarze mit einem erhöhten Vakuum zu kompensieren. Dieser Prozess kann für die Mutter schmerzhaft sein.
Die Funktionalität der Brustwarzen in Bezug auf das Stillen lässt sich anhand einer rein visuellen Betrachtung im Ruhestadium noch nicht beurteilen. Es kommt darauf an, wie sich die Brustwarzen in der Mundhöhle des Kindes verhalten. Um das einschätzen zu können, wird der so genannte Pinch-Test (Deutsch: Kneif-Test) durchgeführt. Hierzu erfasst man die Basis der Brustwarze zwischen Zeigefinger und Daumen und drückt das Gewebe mehrmals zusammen. Je nachdem, wie sich die Brustwarzen im Ruhezustand und nach dem Kneif-Test verhalten, werden fünf verschiedene Brustwarzentypen unterschieden:
Brustwarzentypen:
Bei der üblichen Brustwarzenform, die am häufigsten vorkommt, ragen die Brustwarzen im Ruhestadium leicht heraus. Durch Stimulation richten sie sich stärker auf und sind dadurch für das Baby leicht auffindbar und zentriert erfassbar. Die Brustwarzen sind elastisch und lassen sich vom Baby beim Ansaugen leicht bis zum Übergang des harten und weichen Gaumens langziehen. |
Eine Flachwarze hat einen sehr kurzen Schaft. Durch Stimulation bleibt sie im Wesentlichen unverändert; Sie bewegt sich eventuell leicht nach innen oder außen, aber für das Baby ist es schwieriger sie zu finden und an ihr zentriert anzudocken als an einer üblichen Brustwarzenform. |
Eine „falsche“ Schlupfwarze ist in Ruhezustand eingezogen, richtet sich aber auf Stimulation leicht auf. Falsche Schlupfwarzen stellen für das Stillen kein wesentliches Hindernis dar. |
Die „echte“ Schlupfwarze ist die häufigste Schlupfwarzenform. Sie erscheint im Ruhestadium erfassbar. Doch auf Stimulation zieht sie sich zurück, wodurch das Andocken und das Saugen durch das Baby erschwert wird. |
Bei einer Hohlwarze fehlt die eigentliche Brustwarze. Der Warzenhof hat eine zentrale Vertiefung mit einem kleinen Randwall. Die Hohlwarze zieht sich auf Stimulation noch stärker zurück. Sie ist für das Baby schwierig zu erfassen und auszumelken. Echte Hohlwarzen sind sehr selten. Mitunter gehen Hohlwarzen mit verkürzten Milchgängen und einem verminderten Brustdrüsengewebe einher und können mit Milchbildungsproblemen assoziiert sein. |
In der deutschen Sprache werden Schlupfwarzen und Hohlwarzen teils synonym verwendet, teils sollen sie unterschiedliche Brustwarzenformen beschreiben. Auch in der internationalen Fachliteratur sind Bezeichnungen für verschiedene Brustwarzenformen uneinheitlich. In diesem Artikel werden Schlupfwarzen und Hohlwarzen nach der Definition von Scheele (2001) für unterschiedliche Brustwarzenformen verwendet (siehe Definitionen). Der Begriff „eingezogene“ Brustwarze wird in diesem Artikel als Sammelbegriff für Schlupfwarzen und Hohlwarzen genutzt. (© still-lexikon.de) |
Die Übergänge zwischen den verschiedenen Brustwarzenformen sind in der Realität nicht so kategorisch wie in dieser Aufzählung, sondern fließend. Manchmal unterscheiden sich auch die beiden Brustwarzen einer Frau.
Die Form und die Elastizität der Brustwarzen verbessern sich bereits während der Schwangerschaft. Auch durch das Stillen und das Pumpen verändern sich die Brustwarzen weiter, sodass sie im Laufe der Tage, Wochen oder Monate stärker hervortreten. Die jüngeren Geschwister werden bereits mit stärker hervortretenden und elastischeren Brustwarzen empfangen, sodass sie diese oft früher erfassen können als die Erstgeborenen.
Auf der anderen Seite beeinflussen auch vorübergehende Ödeme und Schwellungen die Form und die Elastizität der Brustwarzen und des Brustgewebes. Ödeme an der Brust können durch natürliche Wassereinlagerungen während der Schwangerschaft und durch intravenös verabreichte Medikamente während und nach der Geburt entstehen (z.B. durch den „Wehentropf“ oder eine Periduralanästhesie). Etwa am Tag 2–4 nach der Geburt, manchmal einige Tage später, tritt die initiale Brustdrüsenschwellung (Milcheinschuss) auf. Ödeme sowie eine verstärkte initiale Brustdrüsenschwellung verursachen angeschwollene, gespannte Brüste und Brustwarzen, was das Erfassen der Brust zusätzlich erschwert. Auch die gewöhnlichen, hervorstehenden Brustwarzen können durch die Ödeme sowie eine verstärkte initiale Brustdrüsenschwellung verflachen, bei ohnehin flachen oder eingezogenen Brustwarzen kommen diese Zustände erschwerend hinzu. Sind diese vorübergehenden Herausforderungen erst einmal überwunden, kann das Andocken mit der Zeit jedoch klappen.
Weitere Faktoren mit Einfluss auf das erfolgreiche Stillen
In vielen Fällen können Babys auch an flacheren und eingezogenen Brustwarzen gut trinken, auch wenn das Anlegen am Anfang eine größere Herausforderung darstellt und länger dauern kann als bei der üblichen Brustwarzenform. Es gibt noch eine Reihe weiterer Faktoren, die das erfolgreiche Stillen positiv oder negativ beeinflussen (siehe auch Warum das Stillen häufig nicht klappt). Erst die Summe all dieser Faktoren entscheidet über das Gelingen. Prinzipiell sind komplikationslose, natürliche Geburten ohne medizinische Interventionen, viel direkter Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Baby direkt nach der Geburt und im Wochenbett, Anlegen nach kindlichen Reflexen usw. gute Voraussetzungen, damit das Stillen klappt.
Kräftige, wache, fitte Babys haben bessere Chancen, auch an einer flachen oder eingezogenen Brustwarze erfolgreich zu trinken. Bei einem frühgeborenen, schwachen, kranken Baby, nach einer schwierigen Geburt, Kaiserschnitt, medizinischen Interventionen, nach einer Trennung von der Mutter usw. können vorübergehend die nötige Saugkraft oder die Koordinierungsfähigkeit für das Saugen fehlen oder die kindlichen Reflexe können durcheinander sein. In all diesen Fällen braucht es Zeit, bis das Baby fit genug ist, um an der Brust effektiv zu saugen. Die Muttermilch wird vorübergehend anders (per Hand und/oder per Pumpe) gewonnen, um das Baby zu füttern.
Auch die Mundanatomie des Babys beeinflusst das Stillen. In Bezug auf die Mundanatomie gibt es genauso vielfältige Variationen wie bei der Brustwarze. Besonders die Zungenbeweglichkeit spielt eine große Rolle. Ist das Zungenbändchen des Babys verkürzt, so sollte es idealerweise bereits in den ersten Tagen nach der Geburt durchtrennt werden, damit das Baby die Zunge aus dem Mund stecken und die Brust besser ausmelken kann (siehe auch Das zu kurze Zungenbändchen). Verkürzte Lippenbändchen können das Stillen ebenfalls erschweren und sollten ggf. durchtrennt werden.
Formung der Brustwarzen in der Schwangerschaft
Eine Zeit lang war die Formung von flachen oder eingezogenen Brustwarzen in der Schwangerschaft verpönt. Sie galt als wirkungslos und schädlich, da sie zu Verletzungen der Brustwarzen führen und die Mutter verunsichern kann. In letzter Zeit sprechen sich wieder mehr Stillfachleute für eine Formung von flachen oder eingezogenen Brustwarzen aus, um das Stillen zu erleichtern. Um Verletzungen und Schmerzen zu vermeiden, sollten diese Techniken nur vorsichtig und sanft durchgeführt werden.
Techniken für die Formung der Brustwarzen in der Schwangerschaft:
- Bei der Hoffmann-Technik werden die Brustwarzen zwischen Daumen und Fingern gerade und seitlich gezogen und gestreckt. Randomisierte Studien konnten jedoch keine Änderung der Brustwarzenform und keine Verbesserung der Stillfähigkeit durch die Hoffman-Technik feststellen. Daher wird diese Technik heute nicht mehr empfohlen.
- Die so genannten Brustwarzenformer sind Plastikschilder, bestehend aus einer flachen Scheibe mit einem Loch in der Mitte für die Brustwarze und einem gewölbten Schild darüber (erhältlich in Online-Shops, s. z.B. den Amazon-Link). Werden Brustwarzenformer in den BH gelegt, entsteht Druck auf den Brustwarzenhof, der mittlere Bereich – also die Brustwarze –, wird herausgedrückt. Die Brustwarzen sollen dadurch gedehnt und verlängert werden. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien bezüglich Brustwarzenformer sind widersprüchlich. Frühere Studien konnten keine Verbesserung der Brustwarzenform und keine Verlängerung der Stilldauer feststellen. Neuere Studien weisen auf eine gewisse positive Wirkung bei Flach- oder Hohlwarzen hin. Bei Schlupfwarzen konnten keine klaren Effekte festgestellt werden. Damit die Brustwarzenformer ihre Wirkung entfalten können, muss Druck durch den BH ausgeübt werden. Der BH soll nicht zu locker, aber auch nicht zu eng sein. Gegebenenfalls braucht die Frau einen etwas größeren BH, wenn sie einen Brustwarzenschoner trägt.
- Manche Stillfachleute empfehlen, in einen BH oder Bustier um die Brustwarzen herum ein kleines Loch zu schneiden, sodass die Brustwarzen durch das Loch gedrückt werden. Der Effekt ist identisch mit dem der Plastikschilder. Welche Methode die Frau bevorzugt, ist ihre individuelle Entscheidung.
- Mit der so genannten Niplette wird Vakuum auf die Brustwarzen ausgeübt und dadurch werden Schlupfwarzen herausgezogen und verlängert. Die Niplette soll vor und in den ersten 6 Monaten der Schwangerschaft täglich 8 Stunden und länger getragen werden. Das Vakuum darf nicht zu stark sein – dann resultieren Schmerzen und Blutungen. Es gibt nur eine kleine Beobachtungsstudie über die Wirksamkeit von Niplette. Diese hat über erfolgreiches Stillen nach der Anwendung von Niplette berichtet. Die Niplette ist in Online-Shops erhältlich (s. Amazon-Link)
- In schweren Fällen besteht die Möglichkeit, die Brustwarzen mithilfe von plastischer Chirurgie aufzurichten. Jede Operation an der Brust birgt indes die Gefahr, dass für das Stillen wichtige Strukturen wie Milchkanäle und Nerven verletzt werden. Daher werden Operationen an der Brust in der Stillförderung grundsätzlich kritisch gesehen. Andererseits gibt es Hinweise aus Studien, dass je nach Methode die Stillfähigkeit erhalten bleiben und sogar gesteigert werden kann.
Gegen die Manipulation der Brustwarzen in den letzten Monaten der Schwangerschaft gibt es Bedenken, weil dadurch theoretisch Wehen und eine Frühgeburt eingeleitet werden könnten. Ab der 37-38. Schwangerschaftswoche, wenn die Gefahr der Frühgeburt vorüber ist, kann aus der Sicht mancher Stillberaterinnen die Brustwarzenformung fortgesetzt werden. Laut Lauwers & Swisher reagieren die Brustwarzen im letzten Schwangerschaftsdrittel am besten auf die Formkorrektur. Sie empfehlen, dass die Formung der Brustwarzen nach Rücksprache mit dem betreuenden Gynäkologen erfolgen sollte.
Stillmanagement bei flachen oder eingezogenen Brustwarzen
Frauen mit besonderen Brustwarzenformen suchen sich idealerweise bereits während der Schwangerschaft Stillfachfrauen, die sich mit dem Anlegen bei diesen Brustwarzenformen gut auskennen und die Frauen begleiten können (siehe z.B. unser Stillberatungsverzeichnis). Betroffene Frauen profitieren auch besonders von der Geburt in einem Babyfreundlichen Krankenhaus, die stillfreundliche Routinen praktizieren, meist mehrere Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC beschäftigen und in denen alle MitarbeiterInnen eine verbindliche Grundschulung im Stillmanagement erhalten.
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen, die das Stillen mit flachen oder eingezogenen Brustwarzen erleichtern:
- Damit die kindlichen Reflexe beim Stillen optimal genutzt werden, lohnt es sich die zurückgelehnte Stillposition zu nutzen (siehe auch Laid-back-nursing). Das ist die Stillposition, in der das Stillen auch bei flachen oder eingezogenen Brustwarzen am besten klappt. Viel direkter Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Baby unterstützt das Stillen auch in diesen Fällen.
- Insbesondere bei flachen oder eingezogenen Brustwarzen wird das asymmetrische Anlegen empfohlen, um die Brustwarze optimal zu positionieren: Das bedeutet, dass das Baby mehr vom unteren Brustwarzenhof im Mund hat als vom oberen: das Kinn vergräbt sich im Brustgewebe, die Nase hat jedoch einen kleinen Abstand zur Brust. Für das asymmetrische Anlegen wird die Brustwarze direkt unter die Nase des Babys gehalten. Das Baby erkennt den Geruch der Brustwarze und macht den Mund groß auf. Es legt dabei den Kopf leicht in den Nacken, um anzudocken. Es nähert sich somit zuerst mit dem Kinn und den unteren Lippen an die Brust. Nach dem Andocken schließt es auch die oberen Lippen nah oberhalb der Brustwarze.
- Optimalerweise darf das Baby direkt nach der Geburt (innerhalb von 60–90 Minuten) das erste Mal ungestört an der Brust trinken (siehe auch: Erstes Stillen nach der Geburt) und wird nach einer kleinen Verschnaufpause anschließend häufig (etwa alle 1–3 Stunden) angelegt, insgesamt mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden. Die ersten Tage sind ideal, um das Stillen zu üben. Das Baby ist noch gut versorgt und die Brust ist noch weich. Etwa ab Tag 3–4 setzt die initiale Brustdrüsenschwellung ein: die Brust wird groß und spannt, das Trinken wird schwieriger und das Baby braucht langsam größere Mengen Muttermilch.
- Das Baby kann mit etwas ausgedrücktem Kolostrum an die Brust gelockt werden. Mithilfe einer Brustmassage und manuellem Gewinnen von Kolostrum kann das Baby an der Brust belohnt werden, auch wenn es noch Schwierigkeiten hat, die Brust gut zu erfassen. Siehe dafür auch das Premiummodul Brustmassage und Kolostrumgewinnung mit vielen Kurzvideos.
- Wenn das Kind vorübergehend noch nicht effektiv an der Brust trinken kann, dann soll Kolostrum innerhalb von 60–90 Minuten nach der Geburt zum ersten Mal und anschließend alle 1–3 Stunden (insgesamt mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden) manuell entleert und dem Baby an der Brust z.B. mit einem Fingerfeeder gefüttert werden. Ab dem zweiten bis dritten Tag soll zusätzlich eine elektrische Doppel-Krankenhausmilchpumpe genutzt werden, um die Milch aus den Brüsten häufig und effektiv zu entleeren (siehe Abpumpen und Aufbewahren von Muttermilch und auch den Artikel Aufbau und Aufrechterhaltung der Milchbildung bei Frühgeburt, wenn die Milchbildung ohne das Saugen des Babys aufgebaut werden muss). Das Kind kann dann per Sonde oder Brusternährungsset an der Brust gefüttert werden. So kann man auch bei anfänglichen Anlegeschwierigkeiten die Milchbildung gut in Gang bringen und das Kind ernähren und dadurch insgesamt Zeit gewinnen, um das Stillen zu üben. Häufig lernen Neugeborene die Brust zu erfassen und effektiv zu trinken, wenn die Milch reichlich fließt. Durch konsequente Zufütterung an der Brust lernen Babys das Stillen.
Falls das Baby Schwierigkeiten haben sollte, die Brustwarze zu erfassen, dann kann die Mutter diese auch direkt vor dem Stillen formen. Hierzu gibt es auch verschiedene Vorgehensweisen.
Methoden zur Formung der Brustwarzen direkt vor dem Stillen:
- Zusammendrücken / Massage an der Basis oder Kälteanwendungen mithilfe einer gekühlten Kompresse oder eines kalten, feuchten Tuches lassen manche Brustwarzen stärker hervortreten.
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Das so genannte Brustsandwich hilft die Brust so zu formen, dass das Baby sie erfassen kann: Die Mutter nimmt die Brust zwischen Daumen (oben) und Fingern (unten) in ihre Hand. Daumen und Finger liegen dabei 3–5 cm hinter der Basis der Brustwarze. Dann presst die Mutter ihre Finger und den Daumen leicht zusammen. Die längliche statt der runden Form ist für das Baby leichter zu fassen. Die Mutter drückt ihre Brust anschließend gegen den Brustkorb. Dadurch tritt die Brustwarze stärker hervor. Schließlich wird der Daumen fester in die Brust gedrückt als die Finger. So zeigt die Brustwarze leicht nach oben, Richtung Gaumen des Kindes. Diese Technik funktioniert bei manchen Frauen am besten in einer Seitenlage.
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Der so genannte Teetassengriff (teacup hold) ist eine weitere Variation mit demselben Ziel wie das Brustwarzen-Sandwich. Er kann gut bei nicht angeschwollenen oder ödematösen Brüsten eingesetzt werden (d.h. vor und nach dem Milcheinschuss und wenn keine Ödeme anderer Ursachen vorliegen): Hier kneift die Mutter den Brustwarzenhof und umliegendes Gewebe direkt oberhalb der Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen, um eine längliche Hervorwölbung zu formen. Die Längsachse der Hervorwölbung passt zur Längsachse des geöffneten Mundes des Babys, d.h. die Finger werden in der Richtung des Mundwinkels platziert. Das Brustgewebe wird so gehalten, bis das Baby daran korrekt andocken konnte.
- Die Brustwarze mithilfe einer abgeschnittenen 10-ml- oder 20-ml-Plastikspritze oder mithilfe des so genannten „Latch Assist“ (siehe Amazon-Link) kurz vor dem Anlegen herausziehen und 30–60 Sekunden halten. Die Plastikspritze wird am spitzen Ende abgeschnitten und der Stempel von der abgeschnittenen Seite reingesteckt, damit die flache Auflagefläche auf dem Brustwarzenhof liegt. Der Schaft der Plastikspritze soll ein wenig breiter sein als die Brustwarze, damit sich die Brustwarze ohne Reibung im Spritzenschaft bewegen kann (10-ml-Spritze bis zu einem Brustwarzendurchmesser von ~13 mm, darüber die 20-ml-Spritze). Der Kolben der angesetzten Spritze wird zur Aufrichtung der Brustwarze langsam herausgezogen. Die Brustwarze darf nicht Weh tun oder sich verfärben. Dann ist das Vakuum zu stark. Der Latch Assist erinnern an eine altmodische Fahrradhupe. Man betätigt sie, indem man auf den Gummiball drückt. Es ist sehr wichtig, dass der Latch Assist mit heißem Seifenwasser gewaschen, gründlich ausgespült und getrocknet wird, damit sich keine Bakterien in seinem Inneren vermehren könnten.
- Auch Milchpumpen können eingesetzt werden, um die Brustwarzen aufzurichten. Sie haben den Nachteil, dass sich das Vakuum auf eine relativ große Fläche verteilt und dass Ödeme um die Brustwarzen herum verstärkt werden. Dies wiederum erschwert das Anlegen. Wenn keine anderen Hilfsmittel parat sind, können aber auch Milchpumpen hilfreich sein.
- Manche Frauen tragen Brustwarzenformer oder die Niplette auch nach der Geburt weiter. Nach dem Milcheinschuss kann dies zu einem verstärkten Auslaufen der Milch führen. Bei Frauen, die viel Milch bilden und zu Milchstaus neigen, könnten diese Hilfsmittel das Risiko von Milchstaus steigern, weil sie möglicherweise Milchkanäle zusammendrücken. Daher kann es empfehlenswert sein, diese Hilfsmittel nach dem Milcheinschuss abzusetzen und zur Aufrichtung der Brustwarzen andere Techniken anzuwenden, falls noch erforderlich.
Stillhütchen bei Flach-, Schlupf- oder Hohlwarzen?
Stillhütchen werden bei flachen oder eingezogenen Brustwarzen häufig empfohlen. Ihr routinemäßiger Einsatz wird jedoch kritisch gesehen (siehe auch Stillhütchen – ein Hilfsmittel mit bedingtem Nutzen). Manche Autoren lehnen Stillhütchen komplett ab, auch im Falle von Flach-, Schlupf- und Hohlwarzen (Newmann & Pitman, 2014; Cadwell & Turner-Maffei, 2017). Denn Stillhütchen haben eine Reihe von Nachteilen. Es gibt auch Bedenken, dass sie zu einem Rückgang der Milchbildung führen. Stillen ohne Stillhütchen ist am einfachsten, sichersten und langfristig erfolgreichsten. Und vor allem: Wenn das Baby sich einmal an das Hütchen mit dem starken Saugstimulus gewöhnt hat, akzeptiert es die Brust ohne Hütchen oft viel schlechter, als wenn es keine anderen Saugmöglichkeiten als die Brust der Mutter kennengelernt hätte. So können Stillhütchen oft mehr Probleme verursachen als lösen. Einige Autoren andererseits sehen in Stillhütchen ein pragmatisches und sinnvolles Hilfsmittel, wenn das Stillen auf andere Weise nicht funktioniert (Wronsky El-Awamry, 2017; Wilson-Clay & Hoover, 2017; Walker, 2017; usw.). Ein Rückgang der Michbildung sei mit den modernen Silikon-Stillhütchen und unter fachkundiger Begleitung vermeidbar.
In den meisten Fällen ist es sinnvoll, das Stillen zuerst ohne Stillhütchen zu probieren, zumal der Transfer des dickflüssigen Kolostrums in den ersten Tagen über ein Hütchen sehr erschwert wird, sodass das Baby die Brust nicht gut entleert und kaum Kolostrum bekommt. Wenn das Baby in den ersten Tagen oder während der initialen Brustdrüsenschwellung (Milcheinschuss) nicht andocken kann, dann kann es das per Hand gewonnene Kolostrum mithilfe alternativer Fütterungsmethoden erhalten. Die Milchbildung wird durch die regelmäßige Entleerung der Brust in Gang gebracht. Ein kräftiges und fittes Baby, das sich von den Strapazen der Geburt gut erholt hat, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit andocken und trinken können. Damit die Milchbildung ohne direktes Stillen in Gang kommt, wird die Brust in Absprache mit der betreuenden Fachperson z.B. am ersten Tag mindestens 6- bis 8-mal per Hand, dann mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden mit einer elektrischen Doppelmilchpumpe entleert. Eine Pumpsitzung dauert etwa 15 Minuten, bis die Brüste gründlich entleert wurden. Eine Kombination aus Handentleeren und Pumpen hilft die Milchmenge effektiv zu steigern (siehe Abpumpen und Aufbewahren von Muttermilch).
Manchmal entscheiden sich Mütter zusammen mit ihren betreuenden Fachpersonen für das Stillhütchen, wenn das Stillen auf andere Weise nicht klappt. Denn die regelmäßige Brustentleerung und das künstliche Füttern des Babys ist aufwendig und anstrengend. Mithilfe des Stillhütchens kann das Stillen schnell funktionieren. Zudem kommt es in seltenen Fällen vor, dass das Stillen ohne Hütchen vorübergehend oder auch langfristig gar nicht funktioniert. Dann sind Stillhütchen ein Segen. Oft verändern die Brustwarzen ihre Form im Laufe der Stillbeziehung, auch mit Stillhütchen, und treten mit der Zeit stärker hervor. Die Stillhütchen können mit der Zeit häufig abgewöhnt werden. Mutter und Baby können anschließend eine lange und glückliche Stillzeit genießen.
Erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich
Da das Risiko von verfrühtem Abstillen und unzureichender Gewichtszunahme bei besonderen Brustwarzenformen erhöht ist, ist es hilfreich, wenn das Mutter-Kind-Paar länger von einer Stillfachkraft begleitet wird. Eine enge Begleitung ist sinnvoll, bis das Stillen gut etabliert ist. Daran kann eine regelmäßige Kontrolle anschließen.
Um sicherzustellen, dass das Baby ausreichend mit Muttermilch versorgt wird, ist es empfehlenswert, auf die Effektivität des Milchtransfers, die Ausscheidungen und die Gewichtsentwicklung des Babys zu achten. Das Gewicht des Babys kann bis zur Erreichung des Geburtsgewichts täglich, anschließend ein- bis zweimal wöchentlich durch eine exakte Babywaage bestimmt und in eine Wachstumskurve von der WHO eingetragen werden (mehr dazu im Artikel Bekommt mein Baby genug Muttermilch?). Verliert das Baby zu viel an Gewicht oder nimmt es nicht erwartungsgemäß zu, dann braucht die Mutter Unterstützung, um das Anlegen zu optimieren. Die Milchbildung sollte zwischenzeitlich mithilfe von Handentleeren / Pumpen zusätzlich angeregt und die gewonnene Muttermilch zugefüttert werden. Falls die Mutter wegen Brustdrüsenanomalien nicht ausreichend Milch bilden kann (sehr selten), dann wird mit gespendeter Frauenmilch oder künstlicher Säuglingsmilch zugefüttert.
Es ist sinnvoll, dass bei einer evtl. erforderlichen Zufütterung auf Saugflaschen verzichtet wird. Denn durch künstliche Sauger erfährt das Baby eine Saugstimulation, die ihr die Brust nicht bieten kann, was letztlich zur Ablehnung der Brust führen kann. Die Zufütterung sollte mithilfe stillfreundlicher Techniken – also Mittels Löffel, Becher, Brusternährungsset etc. erfolgen. Fingerfütterung ist bei diesen Mutter-Kind-Paaren ebenfalls kontraproduktiv. Auch der Einsatz von Schnullern kann das Anlegen an flachen Brustwarzen erschweren und sollte vermieden werden.
Manche Frauen mit flachen oder eingezogenen Brustwarzen erleben den Anfang der Stillzeit, wenn ihre Brustwarzen zum ersten Mal herausgezogen werden, als etwas schmerzhaft. Bei Schlupfwarzen, die zum ersten Mal herausgezogen wurden, ist die Haut eine Zeit lang noch sehr empfindlich.
Bei Schlupfwarzen, die sich direkt nach dem Stillen wieder zurückfalten, wird Feuchtigkeit in der Falte mit eingeschlossen. Dies kann zu Wunden und Infektionen führen. Daher sollte die Mutter versuchen, das Zurückfalten der Brustwarzen für wenige Minuten zu verhindern, bis diese an der Luft getrocknet sind. Auch nach dem Duschen oder Baden muss die Brustwarze evtl. extra an der Luft getrocknet werden, um eine Aufweichung und Blutung zu verhindern. Wenn sich eine Infektion anbahnt, dann helfen oft viel frische Luft und Licht und ggf. lokale Antiseptika oder Medikamente in Rücksprache mit den betreuenden Fachkräften (Jod-haltige Antiseptika sind in der Stillzeit nicht zu empfehlen).
Quellen:
- Morton J: More milk!!! Maximizing Milk supply with early hand expression and hands-on-pumping. Vortrag auf dem 11. Still- und Laktationskongress, September 2017.
- Walker M: Breastfeeding Management for the Physician. Using the Evidence. Jones & Bartlett Learning, 4. 2017. S. 107-108, 117 und 575-579.
- Wilson-Clay B, Hoover KL: The Breastfeeding Atlas. 6. Aufl. 2017, Kapitel 7, Flat and inverted nipples.
- Lawers J, Swisher A: Counseling the Nursing Mother. A lactation consultant´s Guide. Jones & Bartlett Learning. 6. Aufl. 2016, S. 151-153. Und 499-500.
- Cadwell K, Turner-Maffei C: Pocket Guide for Lactation Management. Jones & Bartlett Learning, 2017. S. 49-52.
- Wambach K, Riordan J: Breastfeeding and Human Lactation. Jones & Bartlett Learning, 5. Aufl., 2016. S. 85 und 319-321.
- Wiessinger D, West D, Pitman T: Das Handbuch für die stillende Mutter. La Leche League Schweiz, 2016. S. 383-384.
- Wronsky El Awamry C: Der Gebrauch des Stillhütchens: Eine Frage der Perspektive? Laktation & Stillen 2017/1.
- Newman J, Pitman T: Dr. Newman´s Guide to Breastfeeding, 2014.
- Mohrbacher N, Stock J: Handbuch für die Stillberatung. La Leche Liga International und La Leche Liga Deutschland, 2002., S.83-84.
- Scheele M: Stillen bei anatomischen Abweichungen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Band 3, 2001, S. 103-104.
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