Rauchen, Alkohol und weitere Genussmittel in der Stillzeit

Mütter, die sich Genussmittel, wie Zigaretten oder Alkohol, nicht abgewöhnen können, stecken in einem schwierigen Dilemma. Was ist schlimmer: abzustillen oder trotz Genussmittel weiterzustillen? Der folgende Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse zusammen, wie betroffene Mütter die Gefährdung ihrer Säuglinge möglichst vermeiden oder reduzieren können.

Stillen und Rauchen

rauchende Mutter mit Kinderwagen
Auch rauchende Mütter sollten ihr Baby stillen. (© Marcin Sadlowski)

Leider gibt es keine wissenschaftlich fundierten Grenzwerte, ab welchem Tabakkonsum die Gifte in der Muttermilch mehr Schäden anrichten als Nicht-Stillen. Wenn Babys von rauchenden Müttern gestillt werden, dann haben sie in der Regel jedoch eine bessere allgemeine Gesundheit, leiden seltener an Atemwegserkrankungen und sterben seltener am plötzlichen Kindstod, als wenn sie nicht gestillt werden.

⇒ Trotz der Belastung der Muttermilch wird auch Raucherinnen zum Stillen geraten.

Die Gifte des Tabakkonsums wie Nikotin und weitere toxische und krebserregende Substanzen treten unmittelbar in die Muttermilch über. Nikotin erreicht in der Muttermilch eine dreifach höhere Konzentration als im Blut der Mutter. Bei gestillten Säuglingen von starken Raucherinnen werden Unruhe, geringeres Saugvermögen, Koliken und Erbrechen beobachtet. Außerdem hemmt ein starker Tabakkonsum den Milchspendereflex und reduziert die Milchmenge. Deshalb haben rauchende Frauen mehr Stillprobleme. Babys von rauchenden Frauen nehmen langsamer an Gewicht zu und werden schneller abgestillt als Babys nicht rauchender Frauen. Je stärker geraucht wird, umso ausgeprägter sind die Probleme. Daher ist es wichtig, den Tabakkonsum so weit wie möglich zu reduzieren und am besten ganz aufzugeben.

Was rauchende Mütter tun können, um ihrem Baby möglichst wenig zu schaden:

  • Vier bis sechs Monate voll stillen, anschließend neben Beikost weiterstillen.
  • Das Rauchen so weit wie möglich einschränken: Jede Zigarette weniger ist ein Gewinn.
  • Unmittelbar nach dem Stillen rauchen; Denn die höchste Konzentration von Nikotin in der Muttermilch ist unmittelbar nach dem Rauchen. Nach ca. 95 Minuten ist die Konzentration nur noch halb so hoch. Idealerweise wird vor dem Stillen mindestens 2 Stunden lang nicht mehr geraucht. Wenn das Baby vorübergehend häufiger trinken möchte, dann kann es ausnahmsweise auch schon früher gestillt werden, z.B. nach 1,5 Stunden.
  • Nur außerhalb der Wohnung, Auto und anderen geschlossenen Räumen und nicht in Gegenwart des Babys rauchen.
  • Nach dem Rauchen Hände und Gesicht waschen. Zum Rauchen idealerweise auch eine gesonderte Kleidung anziehen, die nach dem Rauchen wieder ausgezogen wird. Denn auf Möbeln, Händen, Gesicht und Kleidung abgelagerter Tabakrauch ist besonders giftig.
  • Das Baby zum Schlafen in ein eigenes Bett und immer auf den Rücken legen. Denn Rauchen in der Schwangerschaft und Passivrauchen nach der Geburt erhöhen die Gefahr, dass das Baby am plötzlichen Säuglingstod stirbt. Neben Rauchen ist vor allem die Bauchlage ein wichtiger Risikofaktor. Stillen wiederum mindert die Gefahr des plötzlichen Kindstodes. Außerdem müssen die Eltern auch darauf achten, dass sie nicht auf dem Sofa oder in einem Sessel mit dem Baby einschlafen. Das ist gefährlich für das Baby.

Rauchentwöhnungsprogramme werden unter anderem von Krankenkassen und verschiedenen Sozialeinrichtungen angeboten. Sie helfen nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Abhängigkeit zu überwinden, indem sie die Situationen identifizieren, in denen die Betroffenen nach einer Zigarette greifen. Indem sich die Betroffenen andere, bessere Angewohnheiten antrainieren, können sie das Rauchen Stück für Stück ersetzen. Wenn ein Rauchstopp sonst nicht zu erreichen ist, können für die Entwöhnung unter Umständen niedrigdosierte Nikotin-Pflaster oder -Kaugummis infrage kommen. Dann wird das gestillte Baby zumindest den anderen giftigen Produkten des Tabakkonsums nicht ausgesetzt. Allerdings dürfen Nikotin-Pflaster und Kaugummis nicht verwendet werden, wenn die Mutter noch gleichzeitig raucht, weil dann die hohe Konzentration an Nikotin das Baby vergiften kann.

Stillen und Alkohol

Mutter mit Sektlas in der Hand
Gelegentlicher und geringer Alkoholkonsum ist mit dem Stillen vereinbar (© Wavebreak Media Ltd).

Heute trinkt etwa die Hälfte der stillenden Mütter gelegentlich Alkohol. In der Vergangenheit wurden stillenden Frauen alkoholische Getränke − insbesondere Bier − explizit empfohlen, um die Milchmenge zu steigern. Zwar erscheinen die Brüste nach dem Alkoholkonsum gelegentlich voller. Das ist aber darauf zurückzuführen, dass beim Stillen der Milchfluss gehemmt wird und mehr Milch in den Brüsten verbleibt. Vor allem in den ersten Stunden nach dem Alkoholkonsum erhalten Babys weniger Milch, wenn sie an der Brust trinken. Dies gleichen sie allerdings durch häufigeres Trinken aus.

Durch Alkohol wird der Milchspendereflex gehemmt. Dies ist vor allem bei größeren Alkoholkonzentrationen bedeutsam: Bei 5–6 alkoholischen Standardgetränken (z.B. 5–6-mal 250 ml Bier oder 100 ml Wein) geht der Milchspendereflex um 80% zurück. Bei üblichem Alkoholverzehr von 1,5 alkoholischen Standardgetränken gab es nur eine leichte Verzögerung des Milchspendereflexes: Die ersten Milchtropfen erscheinen beim Stillen dann nach durchschnittlich 4,4 statt 2,9 Sekunden. Sobald der Alkohol vollständig ausgeschieden ist, normalisiert sich der Milchpendereflex vollständig.

Alkohol geht in die Muttermilch über. Die Konzentration von Alkohol in der Muttermilch entspricht 95% der Konzentration im Blut der Mutter. Der Alkoholgehalt im Blut und somit auch in der Milch der Mutter ist 30–90 Minuten nach dem Verzehr am höchsten, wenn der Alkohol auf leeren Magen getrunken wurde. Wenn der Alkohol zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen wurde, dann ist die höchste Konzentration um eine Stunde oder mehr verzögert. Anschließend nimmt die Alkoholkonzentration kontinuierlich und gleichmäßig ab. Bei einer Frau mit einem Gewicht von 54 kg braucht es 2,5 Stunden, bis der Alkohol eines Standardgetränks aus ihrem Blut und ihrer Milch eliminiert ist; bei einer Frau mit einem Gewicht von 80 kg 2,0 Stunden. Für jeden zusätzlichen Alkoholkonsum dauert es die gleiche Anzahl an zusätzlichen Stunden, bis der Alkohol vollständig ausgeschieden ist.

Kinder, die Muttermilch mit Alkohol trinken, wachen häufiger auf und weinen mehr. Auch die Mutter-Kind-Beziehung scheint angespannter zu sein, möglicherweise auch aufgrund dieses unruhigen Verhaltens des Kindes. Regelmäßiger, exzessiver Alkoholkonsum der stillenden Mutter führt möglicherweise zu Entwicklungsverzögerungen und zu Gesundheitsschäden beim Säugling wie verminderter Intelligenz. Bei einer Alkoholabhängigkeit darf die Mutter daher nicht stillen. In Studienpopulationen, in denen Mütter nur gelegentlich und kleine Mengen Alkohol tranken (z.B. 1- bis 2-mal wöchentlich ein Glas Sekt) und nach dem Alkoholkonsum Stillpausen einhielten, zeigten die Kinder keine Nachteile in Bezug auf soziale, geistige und motorische Entwicklung.

Verschiedene Medizinische Fachgesellschaften und Experten geben widersprüchliche Empfehlungen, bis zu welchen Mengen gestillt werden darf. Die Amerikanische Akademie der Kinderheilkunde empfiehlt, nach dem Alkoholkonsum eine zweistündige Stillpause einzulegen. Australische Organisationen empfehlen, Muttermilch auf Vorrat abzupumpen, falls die Mutter Alkohol trinken möchte. Die deutsche Nationale Stillkommission empfiehlt, in der Stillzeit am besten vollständig auf Alkohol zu verzichten, vor allem solange das Baby ausschließlich gestillt wird. Sie weist darauf hin, dass Alkohol zu einer spürbaren Verringerung der Milchmenge führen kann und dass Mütter, die mehrmals in der Woche Alkohol konsumieren, häufiger über Stillprobleme berichten (vor allem über wunde Brustwarzen, zu wenig Milch und Milchstau).

Für den Fall, dass eine stillende Frau ausnahmsweise ein Glas Wein, Sekt oder Ähnliches trinkt, gibt die Stillkommission folgende Empfehlungen:

  • Das Baby stillen, bevor die Mutter Alkohol trinkt, damit bis zur nächsten Stillmahlzeit möglichst viel Zeit vergeht. Wenn das Baby häufig und unregelmäßig an der Brust trinkt, ist es ratsamer, komplett auf Alkohol zu verzichten.
  • Mindestens 1–2 Stunden vor dem Stillen keinen Alkohol mehr trinken, damit der Alkohol in der Milch bis zur nächsten Stillmahlzeit größtenteils abgebaut ist.
  • Wenn das Baby noch ausschließlich gestillt wird, kann eine lange Stillpause von mehreren Stunden unter Umständen die Entstehung von Stillproblemen fördern. Daher sind längere Stillpausen in dieser Zeit nicht empfehlenswert.
  • Wenn Eltern ihr Baby ins Elternbett nehmen möchten, sollten sie vorher keinen Alkohol trinken.

Alkohol setzt das Reaktionsvermögen der Eltern herab. Sie schlafen unter Alkoholeinfluss tiefer und können nicht adäquat auf ihr Baby reagieren. Alkoholkonsum gehört zu den bedeutendsten Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod im Elternbett.

Kaffee, Tee und Cola in der Stillzeit

Kaffee, schwarzer Tee und weitere Getränke mit Koffein wie z.B. Cola sind in geringen Mengen (1-2 Tassen am Tag) unproblematisch. Bei größeren Mengen (ab 6-8 Tassen am Tag) äußern sich die Koffein-Symptome beim gestillten Kind in Hyperaktivität und wenig Schlaf. Auch Kräutertee soll nicht in Übermaß getrunken werden, weil er Wirkstoffe enthalten kann, die in größeren Mengen schädlich sind.

Suchtmittel und Stillen

Der Heroinersatzstoff Methadon gilt unter bestimmten Voraussetzungen – bei individueller Beratung und Begleitung durch zuständige Ärzte und Embryonaltoxikologen – als mit dem Stillen vereinbar. Bei Cannabis-Produkten ist die Datenlage unklar. Stillende Mütter sollten auf Cannabis-Konsum verzichten oder ihn soweit wie irgendwie möglich reduzieren (siehe auch: Die Diskussion über Cannabis-Konsum in der Stillzeit geht weiter).

Abpumpen hilft nicht

Durch Abpumpen und Wegschütten kann man die Muttermilch von den Schadstoffen wie Alkohol, Nikotin, Drogen usw. nicht „reinigen“. Die Schadstoff-Konzentration in der Muttermilch korreliert immer mit der Konzentration im Blut. Erst wenn die Schadstoffmenge im Blut abnimmt, nimmt sie auch in der Muttermilch ab. Daher muss die Mutter warten, dass ihr Körper die Schadstoffe im Blut abbaut. Erst dann ist auch ihre Muttermilch wieder Schadstoff-frei.

 

Quellen:

  • Anderson PO: Alcohol use during breastfeeding. Breastfeeding Medicine 2018;13(5):315-317.
  • WHO/UNICEF-Initiative Babyfreundlich: Medizinische Gründe für das Zufüttern, Februar 2017.
  • LACTMED Methadone:  https://toxnet.nlm.nih.gov/cgi-bin/sis/search2/f?./temp/~98ztKV:1. Zugang: Mai 2018
  • Blair PS: Perspectives on bedsharing, cosleeping and safe mother-infant sleep. Vortrag auf dem 10. Still- und Laktationskongress, Berlin, 2015.
  • Lesta E: Rauchende Stillende unterstützen – es lohnt sich. Vortrag auf dem 10. Still- und Laktationskongress, Berlin, 2015.
  • Bundesinstitut für Risikobewertung: Alkohol in der Stillzeit − Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung. 2012.
  • Nationale Stillkommission am Institut für Risikobewertung: Stillen und Alkoholkonsum?Besser nicht! 2012.
  • Nationale Stillkommission am Institut für Risikobewertung: Stillen und Rauchen – Ratgeber für Mütter bzw. Eltern. 2001, aktualisiert 2007.
  • American Academy of Pediatrics: Breastfeeding and the Use of the Human Milk, 2012. www.pediatrics.org/cgi/doi/10.1542/peds.2011-3552.
  • Philips JJ: Breastfeeding and maternal smoking. Letter to the editor. Pediatrics 2012;130(2):e461. doi: 10.1542/peds.2012-1647A.
  • http://kellymom.com/bf/can-i-breastfeed/lifestyle/alcohol/
  • Luck W, Nau H: Nicotine and cotinine concentrations in serum and milk of nursing smokers. Br J Clin Pharmac, 1984;18:9-15.
  • Schaefer C, Spielmann H, Vetter K: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit. Urban & Fischer, 2006, 7. Aufl.
  • Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Passivrauchende Kinder in Deutschland – Frühe Schädigung für ein ganzes Leben. Heidelberg, 2003.
  • Arzneimittel und Stillen – verträgt sich das? In Stillen und Muttermilchernährung. Grundlagen, Erfahrungen und Empfehlungen; Gesundheitsförderung konkret Band 3, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), Köln 2001.
  • Lawrence R und Lawrence RM: Breastfeeding. A guide for the medical profession. 5. Auflage, 1999, Mosby

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